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Foto: Reichelt Elektronik
Carol Richter von Reichelt Elektronik bietet Lösungs- und Ausgleichansätze als Enabler für IoT im Spannungsdreieck Informationsmehrwert, Anlagenkomplexität und Datensicherheit.

Fluidtechnik

Enabler für IoT gleicht Spannungsdreick aus

Smarte Sensorlösungen fungieren als Enabler für IoT und schaffen einen Ausgleich im Spannungsdreieck Informationsmehrwert, Anlagenkomplexität und Datensicherheit.

Predictive Maintenance ist aktuell im industriellen Sektor eines wenn nicht gar das Hauptthema im Bereich IoT und Digitalisierung – der Balanceakt zwischen Informationsmehrwert, Anlagenkomplexität und Sicherheit der Produktionsdaten stellt IoT-Enabler hier immer wieder vor Herausforderungen – Reichelt Elektronik gleicht das Spannungsdreieck aus, Carol Richter erklärt, wie.

Herr Richter, Sie sind Produktmanager bei Reichelt Elektronik und sitzen, sozusagen, an der Quelle wenn es darum geht, den Bedarf an smarten Sensoren zu decken. Smarte Sensoren als Enabler für IoT erfreuen sich sicher einer großen Nachfrage. Um aber den Bedarf zu verstehen, muss man ja zunächst einmal die Vorteile von IoT aufzeigen. Können Sie diese einmal kurz skizzieren…

Wenn es um das Internet der Dinge geht (IoT), sprechen wir heute ja auch häufig von der vierten Industriellen Revolution oder Industrie 4.0. In letzter Konsequenz bedeutet, dies dass Fertigungsanlagen im ERP-System, welches in der Cloud gelagert ist, zentral verwaltet werden und dabei in Echtzeit Daten zum Produktionsprozess, individualisierten Produktkonfigurationen, aber eben auch Informationen zum Anlagenzustand bereitgestellt werden. Es wird eine vollständige Vernetzung von der Feldebene bis in die Cloud angestrebt, wobei meiner Meinung nach, eine wirklich smarte Lösung auch immer Abstufungen zulassen muss. Das kann in der Praxis bedeuten, dass zum Beispiel erst einmal mit nur einem Pilotprojekt begonnen wird und man Schritt für Schritt erweitert – oder dass bestimmte kritische Daten weiterhin auf lokalen Systemen und nicht in der Cloud verarbeitet werden. Wir bewegen uns im Spannungsdreieck zwischen Mehrwert der Informationen, Komplexität der Anlage und Sicherheit der Produktionsdaten.

Wie verhält sich aus Ihrer Erfahrung die Nachfrage bei smarten Sensoren? Können Sie Trends erkennen? Was sind aus Ihrer Sicht die häufigsten Anwendungen? Welche Sensoren werden am häufigsten nachgefragt?

Hier steht zunächst die Frage im Raum, was genau unter „smarter“ Sensortechnologie verstanden wird. Mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit einer Anlage sollte eine intelligente Sensorlösung herstellerunabhängige Kompatibilität bieten, Stillstandzeiten durch vorrausschauende Wartung (Predictive Maintenance) weitgehend verhindern sowie jederzeit zuverlässige Prozessdaten liefern. Hier hat sich der IO-Link als marktbeherrschende Technologie etabliert. Zertifiziert nach IEC 61131-9   sind weltweit mittlerweile mehr als 20.000 Komponenten verfügbar, die in 2020 bereits > 17 Mio. IO-Link-Knoten bildeten. Nach wie vor werden besonders stark die industriellen Klassiker, wie induktive/kapazitive Näherungssensoren, jegliche Form optischer Sensoren, Hall-Effekt-Sensoren u.Ä. nachgefragt. Zukunftstrends spüren wir besonders im Bereich der Ultraschall-Messtechnik, aber auch im Bereich der LiDAR-Sensoren mit deren Hilfe ein 2-oder 3-dimensionales Abbild der Umgebung erstellt werden kann. Diese Technik ist besonders im Bereich der autonomen Navigation zukunftsträchtig.

Stichwort Predictive Maintenance – man hört und liest immer wieder von der Angst gerade erfahrener und älterer Maschinenbediener, dass sie hier durch reine Technik-Lösungen ersetzt werden könnten – wie leistungsfähig sind smarte Sensoren im Detail und ist diese Angst berechtigt?

Der Ansatz der  Predictive Maintenance ist es umfassende Daten zur Anlagenverfügbarkeit bereitzustellen, um ungeplante Stillstandzeiten möglichst zu verhindern. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Aufwand für Wartung und Instandsetzung grundsätzlich geringer wird. Vielmehr lassen sich potentielle Maschinenausfälle frühzeitig voraussagen, um so im laufenden Betrieb oder während ohnehin geplanten Wartungsintervallen die Anlagen zu pflegen. Beispielsweise wird die tatsächliche Laufleistung eines Antriebsstrangs überwacht, die Maschine auf auffällige Vibrationen untersucht oder ein optischer Sensor kündigt sich zur Reinigung an, bevor eine Verschmutzung zu einer Fehlfunktion führt. Der Kostenvorteil liegt in der Aufrechterhaltung der Produktivität, weniger in der Rationalisierung von Arbeitskräften.

Welche Auswirkungen können Messungenauigkeiten auf die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen haben und können Sie uns dazu bitte ein konkretes Beispiel nennen?

Zunächst einmal sind genaue Messdaten natürlich wesentlich für die Prozesssicherheit. Das kann beispielsweise in der industriellen Kunststofffertigung die Temperaturüberwachung einer Extruder-Anlage sein. Die Werkstofftemperatur ist hier entscheidend für die spätere Qualität der Erzeugnisse. Aber auch überall wo in Produktion und Logistik Positionieraufgaben anfallen, ist eine zuverlässige Sensorik essentiell. Neben der Überwachung der Prozessparameter müssen sich smarte Sensoren, als kritische Maschinenkomponenten, auch fortlaufend selbst überwachen. Denn nur durch die permanente Erfassung korrekter Sensorparameter und Statusinformationen führt Predictive Maintenance zum Erfolg. Wenn also der Temperatursensor an der Extruder-Anlage nicht einwandfrei funktioniert oder ungenaue Daten liefert, ist es unmöglich, durch diese Maßnahme die Qualität der Kunststofferzeugnisse zu überwachen. Deshalb ist es besonders sinnvoll, wenn nicht korrekt funktionierende Sensoren auch im laufenden Betrieb neu parametriert werden können. Stillstandzeiten werden so weitestgehend minimiert.

Balanceakt zwischen Informationsmehrwert, Anlagenkomplexität und Datensicherheit – Enabler gleicht Spannungsdreieck aus

Stichwort Retrofitting bestehender Anlagen: Was können Firmen mit maschinellen Anlagen unternehmen, deren Anlagen nicht über smarte Sensoren verfügen und die Anschaffung einer komplett neuen Anlage zu teuer wäre (die bestehende Anlage war sehr kostenintensiv und sollte noch mehrere Jahre im Einsatz bleiben)?

Hier spielen sich die Vorteile des IO-Link voll aus. Da der Standard ein busunabhängiges Kommunikationsprotokoll (Punkt-zu-Punkt) verwendet, kann es den Sensoren völlig egal sein, welcher Standard auf Steuerungsebene Anwendung findet. Sensoren und Aktoren kommunizieren hier lediglich direkt mit dem IO-Link-Master auf Feldebene und können herstellerunabhängig kombiniert werden.

Das klingt recht einfach. Werden wir etwas konkreter: Wie schnell kann ein Retrofitting umgesetzt werden und kann der Betrieb der Anlage parallel aufrecht gehalten werden…

Eine komplette Anlage umzustellen ist immer ein massiver Eingriff und birgt viele mögliche Fehlerquellen. Das Schöne an der IO-Link-Technologie ist, dass ein Mischbetrieb von IO-Link-Geräten und konventionellen Sensoren ohne Probleme möglich ist. Die IO-Master sind in der Regel sogar mit  konventionellen binären Sensortypen kompatibel. Soll ein analoger Sensor über einen IO-Link angebunden werden, ist in der Regel ein spezieller Datensplitter notwendig. Aus meiner Sicht macht es immer dann Sinn auf IO-Link umzusteigen, wenn ohnehin Sensoren gewartet werden oder ein Tausch im laufenden Betrieb möglich ist. Das ist relativ oft der Fall, da sich IO-Geräte vorab außerhalb des Feldes parametrieren lassen und dann einfach angeschlossen werden.

… und mit welchem personellen Aufwand muss der Betreiber rechnen? Reichen hier Schulungen oder sind Spezialisten notwendig?

IO-Link erfindet zum Glück das Rad nicht komplett neu. Die Technologie fügt sich als weiterer Baustein auf Feldebene in die bestehenden Automatisierungskonzepte ein. Selbstverständlich werden wir immer auf gut ausgebildete Spezialisten angewiesen sein, um moderne Anlagen zu führen und zu warten. IO-Link stellt aber eher eine Verringerung der Komplexität mit Blick auf den Verdrahtungsaufwand und die Fehlersuche dar. Heute ausgebildete Automatisierungstechniker bringen bereits die nötigen Kenntnisse mit. Wer mit Automatisierungstechnik arbeitet, wird sich aber ohnehin schnell in die Thematik einarbeiten können. Ich verweise an dieser Stelle auf die Hersteller unserer Produkte, die oftmals umfassende Schulungsprogramm auch online bieten.

Direkter Draht zum Hersteller und First Level Support

Wie arbeitet man bei Reichelt an der Lösungsfindung mit dem Kunden? In welchem Maß sind Kunden in Ihre Entwicklungsprozesse involviert? Wie findet der Austausch statt und welche Serviceleistungen bietet Reichelt an?

Wir haben bei Reichelt Elektronik ein Online-Magazin, das sich sowohl an Technik-Begeisterte, als auch an Profis wendet: In spannenden News informiert der Magazinbereich über Branchen-Insights und innovative Trends aus der Elektronik, aber auch über neue Produkte, die gerade auf den Markt kommen. Außerdem können die Leser Technik selbst erleben und verstehen, indem sie die cleveren Tipps & Tricks aus den zahlreichen How-Tos oder die fundierten Ratgeber zur Unterstützung der eigenen Projekte nutzen.

Außerdem bietet unser Callcenter (auch Kompetenz-Center genannt), das mit erfahrenen Technikern und Ingenieuren aus unterschiedlichsten Bereichen besetzt ist, eine umfassende Produktberatung im First Level Support. Neben dem Vertrieb von knapp 120.000 Artikeln können wir an dieser Stelle keine umfangreiche Planungsleistung für unsere Kunden übernehmen. Bei sehr spezifischen Fragestellungen nutzen wir dann unseren direkten Draht zu Herstellern und Lieferanten. Ich denke was die persönliche Beratung angeht, sind wir im Vergleich zu anderen Katalog- und Online Distributoren schon herausragend. Sonderartikel und größere Mengen werden, soweit möglich, durch unser Angebotswesen kundenspezifisch angeboten.

… und, weil mit Sicherheit für unsere Leser und Ihre Kunden interessant, eine grobe Kostenstruktur aufzeigen?

Eine IO-Link-Anwendung muss nicht grundsätzlich teurer sein, als eine konventionelle Lösung. Im Gegenteil: Es werden sogar Einsparpotentiale aktiviert. Oft kann es sein, dass IO-Link Sensoren sogar in der Anschaffung günstiger sind als ihre analogen Gegenstücke, da man sich hier die aufwändigen AD-Wandler sparen kann. Das hängt aber stark vom jeweiligen Sensortyp und dem Anspruch an die Messaufgabe ab. In jedem Fall ergeben sich Kostenvorteile bei der Verdrahtung. IO-Geräte arbeiten überwiegend mit 3- oder 4-poligen ungeschirmten Leitungen. Das verringert den Installationsaufwand schon enorm. Weiterhin kann auf aufwändige Schaltschrankaufbauten auf Feldebene weitgehend verzichtet werden. Die IO-Link-Master können mit Schutzklasse IP67 dezentral im Feld untergebracht werden und leiten die binären Signale direkt an die Steuerungen weiter. Besonders effizient lassen sich bereits implementierte Geräte tauschen, da sich IO-Master die Parameter ihrer angeschlossenen Sensoren merken können.

Was passiert mit den gesammelten Daten und wie kann die Sicherheit der generierten Daten gewährleistet werden?

Was mit den generierten Daten passiert, entscheidet sich im physisch verbundenen System erst ab der Steuerungsebene. Hier stellt sich die Frage wie die Integration in ein Ethernet stattfindet und welche Zugriffsmöglichkeiten sich von außerhalb ergeben. Diese Problemstellung ist aber schon immer vorhanden gewesen. Ein anderer Fall ist die kabellose Integration von Sensoren, entweder, weil weite Distanzen überbrückt werden müssen oder weil die überwachten Geräte sich hochflexibel in der Fabrik der Zukunft bewegen müssen. Hier gilt es auf etablierte Funkstandards und zuverlässige Ende-zu-Ende Verschlüsselung zu vertrauen.

Welche Rolle spielt der Ausbau von 5G im Zusammenhang mit Sensoren zum Aufbau von IoT-Systemen?

Der 5G-Netzausbau ist in Deutschland immer wieder ein heiß diskutiertes Thema. Die großen Player beispielsweise in der Automobilindustrie experimentieren derzeit mit den ersten eigenen 5G-Netzen innerhalb ihrer „Smart Factories“. In der Fläche spielt dieses Thema, zumindest mit Blick auf die Sensorik, aber eine eher untergeordnete Rolle. Das liegt daran, dass der große Vorteil der 5G-Technologie die hohen Datenraten von bis zu 10 Gbit/s ist. Das wird erst dann wirklich relevant, wenn bespielweise unsere Autos in Zukunft autonom navigieren und Sensordaten in Echtzeit austauschen sollen. Ein viel greifbarer Trend ist derzeit die Integration von Sensoren an exponierten Standorten. Ein Beispiel wäre eine Stadt, die den Füllstand ihrer Abfall- oder Streusalzbehälter in der Fläche permanent überwacht. Hier ist keine besonders hohe Datenrate entscheidend, dafür aber eine möglichst hohe Akkulaufzeit. Hier etabliert sich derzeit der LoRaWAN-Standard auf 868 Mhz Frequenz. Mit diesem Protokoll können mühelos bis zu 40 km im Downlink kabellos überbrückt werden.  Die Netzinfrastruktur stellt der Anwender hier im Zweifel selbst über seinem eigenen Gateway bereit

Wagen wir zum Abschluss noch einen kurzen Ausblick – im europäischen und weltweiten Ranking steht Deutschland Ihrer Meinung nach aktuell und wohin geht die Reise?

Hier muss man aufpassen, dass man nicht zu vieles vermischt. Ich habe neulich gelesen, dass Saudi-Arabien der Vorreiter beim 5G Netz ist, gefolgt von Kuwait und Taiwan. Im Mittelfeld finden wir die USA. Im europäischen Vergleich schlagen wir uns aber dennoch ganz gut. Die Technologie ist noch recht jung und ich denke abgehängt sind wir hier zumindest noch nicht.

Ein anderes Thema sind unsere Bandbreiten im physischen Netz. Da rangieren wir derzeit auf Platz 25 im internationalen Vergleich mit so etwas wie 25 Mbit/s im Download. Das ist als Referenz für eine führende Industrienation in der Tat schwach. Dabei kann das 5G Netz hoffentlich mittelfristig für Entlastung sorgen, bevor uns ein spürbarer Wettbewerbsnachteil erwächst.

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