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Foto: MEV-Verlag
Der Wolf ist nicht überall gern gesehen. Die Interessen von Naturschützern und Landwirten sind hier oft gegensätzlich.

Forschung

Hilft ein „intelligenter Zaun“ im Streit um den Wolf?

Die Projektpartner Uni Bremen und Uni Gießen sowie die Firma Roflexs entwickeln einen Zaun, der mittels künstlicher Intelligenz Wölfe erkennt und vertreibt. 

Das neue Zaun-System soll Weidetiere besser schützen und damit auch die Koexistenz von Menschen, Nutztieren und Wölfen fördern. Darüber hinaus ist vorgesehen, dass es auch vor unbefugten Eindringlingen auf einer Weide warnt oder sogar eine undichte Stelle im Zaun erkennt.

Tierzucht und Tierhaltung sind wesentliche Standbeine der deutschen Landwirtschaft. Mit der Wiederansiedlung und Ausbreitung des Wolfs tritt jedoch ein Zielkonflikt mit dem Naturschutz in den Vordergrund: Einerseits wird die Weidehaltung von der Gesellschaft gewünscht, denn sie bietet gegenüber einer reinen Stallhaltung Vorteile für das Tierwohl, dient der Pflege in Naturschutzgebieten und ermöglicht den Hochwasserschutz mit Deichen. Mit mehreren Tausend Rissen pro Jahr von Schafen, Ziegen, Kälbern, Ponys und Fohlen stellen Wölfe jedoch eine zunehmende Bedrohung für die Weidetiere und eine psychische Belastung für ihre Halter dar.

Warum Schutz vor Wölfen nicht so einfach ist

Einen „wolfssicheren” Zaun, der den ökologischen und ökonomischen Ansprüchen von Landwirtschaft, Tierhaltern und Gesellschaft genügt, gibt es bislang noch nicht. Die verfügbaren Zäune sind als Festzäune ausgelegt, was häufig gegen den Einsatz in Landschaftsschutzgebieten spricht oder – aufgrund der besonderen Bauart – mit hohem zusätzlichem Arbeitsaufwand durch die Tierhalter verbunden ist. Darüber hinaus sind Elektrozäune bei Dürre oder Frost sehr eingeschränkt in ihrer Wirkung. In Regionen mit besonderen Bedingungen wie Deichen, Naturschutzgebieten und flachgründigen Böden sind zusätzliche Sicherungen durch Pfähle oder Untergrabungsschutz nicht möglich. Durch ein „Zaun-Wettrüsten“ mit Wolfszäunen käme es zudem zu einer Zerschneidung der Landschaft: Wild lebende Tiere würden in ihrer Bewegung eingeschränkt – und damit auch ihre Futterquellen und ihre genetische Vielfalt.

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Foto: eliasbilly - stock.adobe.com
Schafe auf der Weide. Künstliche Intelligenz soll verhindern, dass Wölfe ihnen zu Nahe kommen.

Andere Möglichkeiten des Herdenschutzes sind ebenfalls mit sehr hohem Aufwand und weiteren gravierenden Nachteilen verbunden. Herdenschutzhunde sind teuer in der Anschaffung und dem Unterhalt, und in der Nähe von menschlichen Siedlungen oder anderen Hunden kommt es leicht zu Konflikten. Auch die Beschäftigung von Schäfern, die rund um die Uhr im Einsatz sind, ist wirtschaftlich nicht möglich – jede Herde würde mindestens drei Personen erfordern.

Psychische Barrieren ergänzen physische Hindernisse

Doch nun wird an einer Lösung geforscht. Im Forschungsprojekt Mainzaun („Modularer, autonomer und intelligenter Weide(schutz)zaun mit Erkennung und Vergrämung von Predatoren“) der Universitäten Bremen und Gießen sowie des Zaunherstellers Roflexs wollen die Partner mit Sensoren und Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) einen „intelligenten“ Zaun entwickeln, der die Annäherung eines Wolfes erkennt und die passenden Maßnahmen zur Abwehr ausführt. Gefahren – seien es Wölfe oder Manipulationen am Zaun durch Sturm oder Dritte – werden sofort erkannt und dem Tierhalter mitgeteilt. Polizei, Straßenmeistereien oder die Bahnaufsicht können in die Alarmierungskette eingebunden werden. Die Sensoren und weitere Bauteile verfügen über eine eigene Stromversorgung, sodass sie unabhängig von einem vorhandenen Zaun einsetzbar sind. Der Einsatz ohne klassischen Zaun als mechanische Sperre kann zusätzliche Anwendungsgebiete auch in unwegsamen Regionen erschließen.

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Kostengünstig, digital steuerbar und energieeffizient

„Das System baut auf vorhandenen Technologien auf, muss aber dennoch einige Hürden überwinden, um praxistauglich zu werden“, erklärt Professorin Anna Förster vom Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik (TZI) der Universität Bremen. „Die Sensorik und die Vergrämungslösungen sollen kostengünstig, digital steuerbar und vor allem energieeffizient sein, weil der „Mainzaun“ ohne externe Energiequellen auskommen muss. Gleichzeitig müssen diese Lösungen aber auch sehr genaue Ergebnisse liefern. Unser Ziel ist es zum Beispiel, dass die KI nicht nur die Unterscheidung von Wölfen und anderen Tierarten lernt, sondern auch von einzelnen Wölfen untereinander. So können die Vergrämungslösungen individualisiert werden, damit sich einzelne Tiere nicht an bestimmte Abwehrmethoden gewöhnen.“ Dies ist ein wichtiger Punkt, weil Wölfe sehr intelligent und anpassungsfähig sind.

„Es stellt eine der größten Herausforderungen in diesem Projekt dar, die Vergrämungsmethoden so zu entwickeln, dass sie kurz- wie auch langfristig effektiv bleiben“, betont die Verhaltensforscherin Uta König von Borstel, Professorin an der Justus-Liebig-Universität Gießen. „Gleichzeitig dürfen aber natürlich keine Weidetiere, Menschen oder Hunde zu Schaden kommen. Wir sind zuversichtlich: Mit unserem Ansatz, die Wölfe individuell zu erkennen und zu vergrämen, können wir diese Anforderungen unter einen Hut bringen.“

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Foto: Jon Turner - Fotolia
Ein neuartiger Zaun könnte Schäfer und Hütehunde bei der Arbeit unterstützen und zusätzlichen Schutz bieten.

Zaunhersteller sorgt für Praxistauglichkeit

Wenn diese Herausforderungen erfolgreich gemeistert werden können, steht die Umsetzung der Forschungsergebnisse in die Praxis bereits in Aussicht. Die Roflexs GmbH aus Salzwedel bringt ihre Erfahrungen aus der Metallbearbeitung und der Elektrotechnik ein. „Eine unserer Aufgaben ist die Entwicklung eines robusten und wetterbeständigen Gehäuses für die Steuerungs- und Sensortechnik“, berichtet Geschäftsführer Torsten Menzel. „Parallel werden wir zum Beispiel dabei helfen, die flexible und autarke Stromversorgung für die Module zu entwickeln und über den Projektzeitraum auch ständig weiter zu optimieren.“ Roflexs produziert und vermarktet darüber hinaus seit 15 Jahren einen Mobilzaun, sodass weltweit bestehende Vertriebskanäle genutzt werden könnten. Das Projekt hat eine Laufzeit von drei Jahren und soll Mitte 2024 abgeschlossen sein. Gefördert wird es vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mit 1,1 Mio. EUR.

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