Image
mayr1_ ferdinand_co2-neutral.jpeg
Foto: Erik Schäfer
Ferdinand Mayr, Geschäftsführender Gesellschafter von Mayr Antriebstechnik: „Wenn man die Projekte nachhaltig auswählt, wenn man da bewusst agiert, dann ist das in meinen Augen immer eine Situation, wo beide Seiten gewinnen.“

News

Klimaneutralität im Fokus

Seit 2020 ist Mayr Antriebstechnik klimaneutral. Welcher Aufwand steckt dahinter? CEO Ferdinand Mayr und Produktionsleiter Klaus Dornacher geben Auskunft.

Klimaneutralität, das hat sich Mayr  Antriebstechnik aus Mauerstetten bei Kaufbeuren im Allgäu auf die Fahnen geschrieben. Das 1897 gegründete Unternehmen ist Hersteller von Sicherheitsbremsen und -Kupplungen, spielfreien Wellenkupplungen, elektromagnetischen Kupplungen und Bremsen, hochwertigen Gleichstromantrieben, sowie elektronischen Geräten für Bremsen und Kupplungen und wird von Ferdinand Mayr in 5. Generation geleitet. Er und der Produktionsleiter für den Standort Mauerstetten Klaus Dornacher sprachen mit Konstruktion & Entwicklung zum Thema Klimaneutralität, denn seit 2020 ist das Unternehmen beurkundet klimaneutral – „Klimaneutrales Unternehmen“. Das ist auch ein Statement für die Heimat im schönen Voralpenland und bedarf vielerlei Anstrengungen, denn das heimatverbundene Traditionsunternehmen ist sich seiner Verantwortung für das Klima sehr bewusst und will vieles besser machen, wie im Gespräch mit Erik Schäfer, Chefredakteur der Konstruktion & Entwicklung deutlich wird. Das neue, kreisrunde Kommunikationszentrum des Unternehmens gewährt bei gutem Wetter einen freien Blick auf das Allgäuer Alpenpanorama. Doch heute sind die Berge im Dunst des herbstlichen Vormittags nicht zu sehen…

Herr Mayr, Herr Dornacher, Ihr Unternehmen ist seit 2020 offiziell klimaneutral. Nun lässt sich das nicht allein durch technische Maßnahmen hier am Standort erreichen, oder?

Ferdinand Mayr: Nein, das reicht allein nicht aus. Zunächst denke ich, dass es wichtig ist, sich auf den Weg zu begeben. Das ist eine zentrale Botschaft. Die CO2-Neutralität, die wir für den Standort Mauerstetten erwirkt haben, ist ein Bekenntnis hierzu. Ein Unternehmer setzt immer dort an, wo der größte Hebel ist. Wir haben für Deutschland den größten Hebel bei uns gesehen. Hier können wir das in unserer Macht mögliche tun und so den CO2-Abdruck für unser Produktionsnetzwerk maßgeblich beeinflussen. Die Projekte, die wir darüber hinaus ausgewählt haben, wurden auf die Aspekte Nachhaltigkeit und Ergebniswirksamkeit evaluiert. Klimaneutralität ist keine lokale Thematik. Darum unterstützen wir weltweite Projekte, um damit CO2 einsparen zu können.

Welche Hebel haben Sie denn im Produktionswerk Mauerstetten angesetzt?

Klaus Dornacher: Wir haben schon in den letzten Jahren bei Hallenneubauten und Hallensanierungen die Dächer mit Photovoltaik-Anlagen bestückt und kommen ab 2021 auf rund 400 kWh/Peak-Leistung. Zudem haben wir schon seit längerem ein Blockheizkraftwerk mit 50 kW installiert. Neubauten und Sanierungen werden nach den neuesten KfW-Standards durchgeführt. Die neue Lüftungsanlage beispielsweise arbeitet mit einem hocheffizienten Rotationswärmetauscher. Wenn man sich die Zahlen von 2019 anschaut: In Summe haben wir rund 3,3 Millionen kWh an Strom verbraucht und haben mittlerweile einen Eigenanteil über PV oder BHKW von knappen 0,5 Millionen Kilowattstunden erreicht. Das heißt, wir liegen bei einem selbst produzierten Strombedarfsanteil von etwa 15 Prozent. Zudem werden wir noch in diesem Jahr hier im Werk Tankstellen für Elektroautos installieren. Hinzu kommt das Thema Energieeinsparungen. Wir haben mit dem Energiemonitoring begonnen, um genau zu wissen, wo wir unsere Energieverbräuche und wo wir Verschwendungen haben, damit wir die richtigen und effektiven Maßnahmen ergreifen können. Ein wichtiger Punkt ist hier auch die Sensibilisierung von Mitarbeitern. Wir sind dabei über unsere hausinterne Zeitschrift verstärkt Artikel darüber in Umlauf bringen, um die Mitarbeiter noch stärker für das Thema Energie zu sensibilisieren.

Es gilt dazu sicher eine Menge Vorgaben zu beachten?

Ferdinand Mayr: Ja, gerade beim Betrieb von PV-Anlagen gilt es ja eine Reihe an Verordnungen zu beachten und auch steuerrechtliche Themen spielen hier eine Rolle. Das ist dann wirklich Expertentum. Wir haben dazu einen Expertenkreis, den Herr Dornacher innehat. Dort werden die Kapazitäten zu dieser Thematik vereint, die dieses Thema vorantreiben. Darüber hinaus sind wir im VDMA Energieeffizienz Netzwerk tätig. Dort tauschen wir uns natürlich auch mit anderen Unternehmen aus und versuchen, diese Dinge gemeinschaftlich weiterzutreiben. Da sind unter anderem auch lokal ansässige Firmen mit dabei. Zudem haben wir uns entschieden, in das Bündnis klimaneutrales Allgäu einzutreten, das sich auf die Fahnen geschrieben hat, bis 2030 die CO2-Neutralität für alle beteiligte Unternehmen zu erreichen. Da sind teilweise Experten vor Ort, bei denen man sich auch Unterstützung holen und Ideen gemeinsam erarbeiten kann. Wir sind, denke ich, schon sehr privilegiert hier im Allgäu leben und arbeiten zu dürfen. Das ist ein Kerngedanke dahinter, dass wir entsprechend Rücksicht nehmen müssen auf Umgebung und unsere Umwelt. Das ist unsere Überzeugung, die wir leben. Wir sind sehr bodenständige Allgäuer. Unsere Mitarbeiter kommen nahezu alle aus der Region und die schätzen unser Umweltengagement natürlich genauso. Das ist schon ein allgemeiner Wert, der hier auch wahrgenommen wird.

Image
mayr2_klaus_dornacher.jpeg
Foto: Erik Schäfer
Produktionsleiter Klaus Dornacher: „Wir schauen uns klar auch die Wirtschaftlichkeit unserer Maßnahmen an, wobei man bei Energiesparmaßnahmen sicherlich nicht von einem Return of Investment von zwei Jahren ausgeht.“

Ihr Engagement in Sachen CO2 - Neutralität kostet viel Geld. Stemmen Sie das alles aus eigenen Mitteln?

Klaus Dornacher: Wenn Sie die Finanzierung dieser Maßnahmen ansprechen, da haben wir uns natürlich für die aktuellen Anlagen kundig gemacht, was es an Förderungsmöglichkeiten gibt. In der Regel sind das ja KfW-Förderungen. Wir konnten dazu einen guten Berater gewinnen. Der zeigte uns unter anderem auch, dass es darauf ankommt, wie man einen Antrag stellt. Damit haben wir es geschafft bei der Sanierung der zwei älteren Produktionshallen nicht unerhebliche Fördermittel zu bekommen. Da war es dann auch einfacher, gewisse Maßnahmen umzusetzen. Hierunter fallen auch Neuanlagen, welche gegenüber den alten deutlich energieeffizienter arbeiten und damit förderwürdig sind. Aber bei den Neubauten, wie der Halle 7 – einer Montagehalle – war das Thema mit den Fördermöglichkeiten für uns noch nicht so aktuell. Das haben wir dann allein aus unserer Überzeugung heraus gestemmt und die PV-Anlage installiert.

Image
mayr3_ kunden_zentrum.jpeg
Foto: Mayr Antriebstechnik
Das Kommunikationszentrum ist von grünen Flächen umgeben, die nicht bebaut werden sollen.

Was genau müssen Sie erfüllen, um als CO2-Neutral zu gelten?

Ferdinand Mayr: Ich denke das ist zunächst auch eine Frage der Investitionsstrategie, die dahintersteckt. Warum mache ich das? Mache ich das für die nächsten 5 Jahre oder schaue ich, dass ich das möglichst langfristig auslege? Wir sind sehr langfristig orientiert. Der Standort hier wurde aufgebaut und der soll natürlich auch für die nächsten Jahrzehnte noch Bestand haben. Die Umweltmaßnahmen sind da ein klares Bekenntnis dazu, nachhaltig zu wirken, obgleich Industrie und Produktion auch immer ihre Folgen für die Umwelt haben – das darf man nicht verkennen. Wir kompensieren nicht die Stahlherstellung unserer Produkte, sondern das, was wir hier am Standort Mauerstetten als Energieaufwendung haben – inklusive der Fahrtwege und Dienstreisen unserer Mitarbeiter. Wir kompensieren also alles, was wir hier letztendlich reinstecken, um die Produktherstellung und Kunden-/Projektbetreuung zu gewährleisten.

Wie sieht die wirtschaftliche Seite dieser Maßnahmen für Ihr Unternehmen aus?

Klaus Dornacher: Wir schauen uns klar auch die Wirtschaftlichkeit unserer Maßnahmen an, wobei man bei Energiesparmaßnahmen sicherlich nicht von einem Return of Investment von zwei Jahren ausgeht. Aktuell haben wir unsere Druckluftanlage im Visier. Wir haben große Kompressoren im Einsatz mit einer ausgeklügelten Steuerung. Da schaltet, je nach Auslastung, der eine oder andere Kompressor ab – es gibt auch Kompressoren, die variabel schaltbar sind. Das sind beispielsweise Maßnahmen, mit denen wir es geschafft haben im tagtäglichen operativen Einsatz Einsparungen zu erzielen.

Ferdinand Mayr: Es ist natürlich schon ein Ziel, dass wir mit solchen Maßnahmen finanziell einen ROI bekommen – irgendwann. Davon sind wir auch überzeugt, dass sich das letztendlich rechnen muss. Eine Maßnahme, die wir allerdings ohne jegliche ROI-Abschätzung gemacht haben, waren die Allgäuer Blumenwiesen, die wir der Gemeinde und auch der Stadt Kaufbeuren gespendet haben.

Image
mayr5_sonnen_kollektoren.jpeg
Foto: Mayr Antriebstechnik
Ein Beitrag zur Klimaneutralität: Die PV-Anlagen auf den Dächern des Unternehmens kommen auf rund 400 kWh/Peak-Leistung.

Wie sieht es mit der Nutzung der Flächen aus. Planen Sie den Standort noch auszubauen?

Ferdinand Mayr: Die Industrie ist ja immer ganz schnell verschrien, mit Dingen wie Flächenfraß et cetera. Wir haben dieses Kommunikationsgebäude nicht ohne Grund hierhin gebaut und die Grünflächen ringsum erhalten. Die sollen auch nicht bebaut werden! Wir haben uns ganz bewusst dazu entschieden, dass wir unseren Bestand nicht in der Fläche ausweiten, sondern in die Verdichtung gehen. So graben wir beispielsweise unser neues Hochregallager letztendlich hinten in den Berg ein, um hier die Versiegelung weiterer Flächen zu minimieren. Das verursacht zusätzliche Investitionskosten. Mit dem neuen Hochregallager wollen wir einen kompakten Materialfluss realisieren. Da kommt eins zum anderen. Wenn ich kurze Wege habe, dann ist das für mich auch weniger Energieaufwand, den ich allerdings schwerlich quantifizieren kann. Ich weiß nicht, wieviel Weg mein Gabelstapler in den nächsten 10 Jahren weniger zurücklegen wird. Ich weiß ja heute nicht, was ich in 10 Jahren an Produkten liefern werde.

Gibt es in Sachen Umwelt auch einen Informationsaustausch unter den Unternehmen?

Ferdinand Mayr: Ich denke, das VDMA Energieeffizienz Netzwerk ist da sicherlich eine Plattform.

Klaus Dornacher: Ja, da sind auch Firmen aus dem näheren Umfeld mit dabei, mit denen man immer wieder einmal diskutiert und fragt: „Was macht ihr?“ Klar, sind da manche Firmen sogar noch weiter. Andere Firmen haben andere Schwerpunkte und Aufgabenstellungen, natürlich abhängig von deren Produktion, von deren Umgebung. Man nimmt aber von jeder Firma auch eine Kleinigkeit für sich mit.

Also man tauscht sich rege aus und es entwickelt nicht jeder für sich eine Strategie im stillen Kämmerchen?

Klaus Dornacher: So ist es. Vor Corona gab es auch rege Besuche. Das Netzwerk war auch schon für einen Tagesworkshop hier bei uns. Dazu gehörte ein Firmenrundgang, auf dem die Teilnehmer sehen konnten, wie wir das Thema bei uns handhaben und schon öfter gaben Teilnehmer uns auch Anregungen. Da gibt es einen sehr regen Austausch.

Ferdinand Mayr: Das ist, denke ich, schon sehr interessant. Denn als Externer sieht man oftmals das, was die Internen nicht sehen. Da ist es ein guter Ansatz, dass die externen Besucher uns dann einerseits fragen „Wie macht ihr das?“ und andererseits uns auch Anregungen geben. Lernen kann man immer und so kommt man Schritt für Schritt voran. Auch im Bündnis klimaneutrales Allgäu engagieren wir uns. Die beteiligten Unternehmen streben an, bis 2030 klimaneutral zu sein, unter anderem auch durch den Einsatz von Zertifikaten.

Wobei wir beim Thema Zertifikate wären, die ja nicht unbedingt immer in einem guten Ruf stehen…

Ferdinand Mayr: Wir müssen uns schon bewusst machen: Wir sind kein Energielieferant und kein Energieunternehmen. Ganz nach dem Motto Schuster bleib bei deinen Leisten konzentrieren wir uns auf unsere Kupplungen und Bremsen. Da ist es naheliegend nur die Dinge zu realisieren, welche auf der Hand liegen, alles andere verbleibt den Spezialisten.

Der Handel mit Zertifikaten ist verpönt in den Medien. Aber in meinen Augen ist er eine Win-win-Situation, das muss man klar zum Ausdruck bringen! Wir werden als produzierendes Unternehmen nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit, alle unsere CO2-Ausstöße selbst kompensieren können. Da werden wir auf Zertifikate angewiesen sein. Wenn man aber die Projekte, die mit diesen Zertifikaten finanziert werden, nachhaltig auswählt, auf verifizierte Standards zurückgreift und wenn man da bewusst agiert, dann ist das in meinen Augen immer eine Situation, die für beide Seiten gewinnbringend ist. Der dubiose Zertifikatehandel mit mehrfach verkauften Zertifikaten wird zu Recht immer wieder in den Medien angeprangert. Dem muss man entgegentreten – das ist wirklich wichtig!

Image

Wirtschaftsmeldungen

Wie Mayr es schafft, klimaneutral zu produzieren

Eigene Stromerzeugung, wenig Papierverbrauch und Klimazertifikate: Mayr Antriebstechnik geht mit gutem Beispiel voran und produziert komplett klimaneutral.

    • Wirtschaftsmeldungen
Image

Nachhaltigkeit

Klimaneutrale Produktion oder Life Cycle Engineering?

Der Fokus auf nachhaltige, klimaneutrale Produktion allein genügt nicht. Die WGP will daher Wege zum Life Cycle Engineering aufzeigen. Was dahinter steckt.

    • Nachhaltigkeit
Image
zukunftsimpuls_umsetzung_klima.jpeg

Wirtschaftsmeldungen

10 Empfehlungen zur Umsetzung von Klimaneutralität 

Wie werden Betriebe klimaneutral? Empfehlungen zur Umsetzung gibt es jetzt vom  Wuppertal Institut seinem Zukunftsimpuls „Klimaneutralität in Unternehmen“.

    • Wirtschaftsmeldungen, Wirtschaftsmeldungen
Image
basf_fahrplan_klimaneutralitaet.jpeg

News

BASF investiert 4 Mrd. Euro in Klimaneutralität

BASF legt einen Fahrplan zur Klimaneutralität fest und will bis 2030 rund 4 Mrd. EUR in die Reduzierung von CO 2 -Emissionen investieren.

    • News, Wirtschaftsmeldungen, Wirtschaftsmeldungen