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Foto: SEW
Neben dem hafeninternen Bahnverkehr werden auch alle Züge aus dem Westhafen die neue Hafenquerung (li.) nutzen. Die bisherige Kattwykbrücke (re.) ist dann dem LKW-Verkehr vorbehalten.

Antriebs- und Steuerungstechnik

Kraftakt: XXL-Antrieb für neue Bahnbrücke in Hamburg

Die Hamburg Port Authority hat mit der neuen Bahnbrücke Kattwyk einen Meilenstein der Hafen- und Verkehrsentwicklung geschaffen. 2.000 t werden hier bewegt.

Die neu gebaute Bahnbrücke über die Süderelbe verbessert den hafeninternen Bahnverkehr und die Anbindung zum Containerterminal in Hamburg-Altenwerder. Passiert ein Schiff die Wasserstraße, wird die Brückenkonstruktion nach oben gehoben. Um das 2.000 t schwere Bauwerk zu bewegen, installierte SEW-Eurodrive Antriebstechnik zur Übertragung von insgesamt 1 MW Leistung.

Die bisher bereits bestehende Kattwykbrücke im Hamburger Hafen verbindet die gleichnamige Halbinsel mit dem westlichen Stadtteil Moorburg. Sie war bei ihrer Inbetriebnahme 1973 die größte Hubbrücke der Welt. Knapp 50 Jahre später bekommt sie Verstärkung durch die parallel verlaufende „Neue Bahnbrücke Kattwyk“ – so der Name des neuen Bauwerks. Auch diese Brücke glänzt mit Superlativen und überragt die ältere Konstruktion sogar noch um einige Meter. Als Infrastrukturmaßnahme entlastet sie vor allem den Güterverkehr auf der Schiene, denn bis dato mussten sich Bahn und LKW die Brücke teilen – was letztlich spürbare Wartezeiten mit sich brachte. Angesichts des zunehmenden Warenverkehrs entschloss sich der Aufsichtsrat der Hamburg Port Authority (HPA), neben die schon existierende Kattwykbrücke eine neue Hubbrücke für den Schienenverkehr sowie für Fußgänger und Radfahrer zu bauen.

Infrastrukturprojekt der Superlative

Es war eine gewichtige Entscheidung, die aktuell zu den bedeutendsten Infrastrukturprojekten der HPA zählt: Immerhin 3.700 t bringt das 287 m lange Bauwerk auf die Waage. Die Neue Bahnbrücke Kattwyk verbindet – ebenso wie ihre 1973 gebaute Vorgängerin – die Stadtteile Wilhelmsburg und Moorburg. Beide Hubbrücken überspannen in einem Abstand von gerade einmal 58 m zueinander die Süderelbe. Ihre Hauptaufgabe: Passiert ein Seeschiff die Wasserstraße, muss die Brückenkonstruktion nach oben ausweichen und Platz machen.

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Foto: SEW
Kraftakt auf Kattwyk: Die neue Bahnbrücke Kattwyk (hinten) und bisherige Kattwyk-Brücke, die zum Containerterminal in Hamburg-Altenwerder führen.

Mit der Investition verbessert die Hafenverwaltung die Anbindung zum Containerterminal Altenwerder. Neben dem hafeninternen Bahnverkehr werden auch alle Züge aus dem Westhafen die neue Hafenquerung nutzen. Außerdem erhält die Neue Bahnbrücke Kattwyk komfortable Rad- und Fußwege – die ganz nebenbei eine tolle Aussicht über die Elbe und den Hafen bieten. Die bisherige Kattwykbrücke bleibt weiterhin dem Straßenverkehr vorbehalten.

Engineering aus einer Hand – für ein absolutes Unikat

Das Projekt ist nicht nur aufgrund seiner räumlichen Dimensionen anspruchsvoll. Jede gebaute Brücke stellt naturgemäß ein Unikat dar, bei dem es unter anderem komplexe statische, technische und verkehrliche Belange zu berücksichtigen gilt. Mit der Einweihung der Eisenbahnbrücke Kattwyk Ende 2020 gehen zehn Jahre Planung und Bau zu Ende. Die HPA beauftragte seinerzeit die SEH Engineering GmbH mit dem Bau der Neuen Bahnbrücke Kattwyk. Das Unternehmen mit Sitz in Hannover hat langjährige Erfahrungen mit der Planung und Realisierung von Brücken und Stahlwasserbauten.

SEH suchte sich mit SEW-Eurodrive einen Antriebslieferanten, der einschlägiges Engineering- und Branchen-Know-how mitbringt. Für SEW sprach ebenfalls, dass alle Antriebskomponenten aus einer Hand kommen – einschließlich der Antriebsrahmen und Dienstleistungen. Dadurch reduzierten sich die Schnittstellen beim Kunden sowie der Montageaufwand vor Ort. Auch den hohen Ansprüchen an die geforderten Lastprüfläufe konnte das Bruchsaler Unternehmen gerecht werden.

Das Antriebskonzept für die neue Bahnbrücke

Das Antriebskonzept der Neuen Bahnbrücke Kattwyk sieht jeweils einen Teilantriebsstrang für jeden der beiden Pylone vor. Die Antriebe sind vor Wind und Wetter geschützt in einem Maschinenhaus am oberen Ende der Pylone untergebracht. Der Hubmechanismus wurde als Friktionsantrieb mit Treibtrommeln, 48 Seilen und Gegengewichten ausgeführt.

Bis Windstärke 8 auf der Beaufortskala – stürmischer Wind, abbrechende Zweige, hohe Wellenberge – herrscht auf der Brücke Normalbetrieb. Hierbei werden nur zwei der insgesamt vier Hauptantriebsmotoren betrieben, also je ein Motor pro Pylon. Die Hauptmotoren haben jeweils eine Leistung von 245 kW und sind auf den Primärantriebsrahmen aufgebaut. Über eine Gelenkwelle geht der Kraftfluss auf die beiden Hauptgetriebe, die wiederrum mit einer elektromagnetischen Schaltkupplung synchronisiert werden. Die beiden Hauptgetriebe sind auf dem Tandemrahmen montiert und bilden zusammen die sogenannte Tandemeinheit. Auf der Abtriebsseite der Hauptgetriebe sitzen die Zahnkupplungen und verbinden die Getriebe mit den Seiltrommeln.

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Foto: SEW
Kraftfluss im Normalbetrieb

Liegen die Windstärken über 8, sowie bei zusätzlichen Eis- und Schneelasten, wird die Brücke im Schwerlastbetrieb gefahren. Auf jedem Pylon sind nun beide Hauptmotoren aktiv, insgesamt also alle vier. In diesem Betriebszustand ist die Hauptkupplung getrennt. Die Hauptgetriebe sind somit nicht mehr miteinander mechanisch synchronisiert. Neben den Hauptmotoren befindet sich auf den Primärantriebsrahmen auch jeweils ein Notantrieb. Diese werden über ein Diesel-Notstromaggregat betrieben und stellen sicher, dass bei einem Stromausfall die Brücke in die – je nach Verkehrslage – geeignete Endlage fährt.

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Foto: SEW
Kraftfluss im Schwerlastbetrieb

Umfassende Prüfung

Das Herz des Brückenantriebs bilden vier fünfstufige Stirnradgetriebe des Typs MD5FL470. Die etwa 24 t schweren Hauptgetriebe wurden als Stahl-Schweiß-Ausführung konzipiert. Mit einem Nenndrehmoment von ca. 1,9 Mio. Nm pro Getriebe sind sie ausreichend groß bemessen, um die in der der Stahlwasserbau Norm DIN 19704 geforderten Sicherheiten zu gewährleisten. Mit 2,5 t sind auch die Zahnkupplungen gewaltig. Sie stellen die Verbindung zur Seiltrommel dar und sitzen abtriebsseitig auf den Hauptgetrieben. Die vier Hauptgetriebe wurden in separaten Prüfläufen getestet, bei denen der Prüfling mit einem Gegenantrieb gleichen Typs über eine Zahnkupplung verbunden wurde.

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Foto: SEW
Vier fünfstufige Stirnradgetriebe des Typs MD5FL470 sind der „Herzmuskel“ des Brückenantriebs. Nach dem erfolgreichen Prüflauf lieferte sie SEW-Eurodrive fertig montiert in Hamburg an.

Bei dieser als „Back-to-Back“ bezeichneten Prüfanordnung sind die beiden Getriebe jeweils mit einem Motor verbunden, wobei der Motor am Gegengetriebe als Generator dient. Ein Frequenzumrichter mit Rückspeiseeinheit übernimmt dabei die Einstellung von Last und Drehzahl wodurch verschiedene Betriebspunkte simuliert und getestet werden konnten. Auch die Primärantriebseinheiten wurden in vier separaten Prüfläufen mit den vorgegebenen Schaltschrankeinheiten, Frequenzumrichtern und Motoren einschließlich der Steuerungssoftware erprobt.

Zeitsparende Montage in Hamburg

Nach erfolgreichem Prüflauf wurden die Antriebe vormontiert in Hamburg angeliefert. SEW hatte die Primär- und Tandemantriebseinheit so vorbereitet, dass sie sich vor Ort auf einem Schwimmponton vergleichsweise einfach und zeitsparend auf dem Maschinenhausboden montieren ließen. Die beiden Maschinenhäuser konnten schließlich mit einem Schwimmkran auf die Pylone – in 70 m Höhe – gehoben werden. Aufgrund der guten Vorbereitung und der Vormontage vor Ort war im Maschinenhaus dann nur noch die exakte Ausrichtung der Teilsysteme zueinander vorzunehmen.

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Foto: SEW
Die beiden Maschinenhäuser wurden mit einem Schwimmkran auf die Pylone in 70 m Höhe gehoben. Aufgrund der guten Vorbereitung und der Vormontage vor Ort brauchten im Maschinenhaus nur noch die Teilsysteme exakt zueinander ausgerichtet werden.

„Diese Arbeiten erfolgen zu einem Zeitpunkt, als sich die endgültige Verformung der Konstruktion eingestellt hat“, erklärt Volkan Yilmaz vom SEW-Projektteam. Sowohl während der Vor-Ort-Montage als auch bei der anschließenden Inbetriebnahme und dem Probebetrieb unterstützte SEW-Eurodrive seinen Kunden bei allen Arbeiten an der Antriebstechnik.

Nach mehr als zehn Jahren Planungs-  und Bauzeit ist die geplante Fertigstellung der neuen Kattwykbrücke gelungen. Es war ein gleichsam spannendes wie herausforderndes Bauprojekt, bei dem die HPA einen zukunftsweisenden Meilenstein in der Hafeninfrastrukturentwicklung geschaffen hat. Die zu allen Projektphasen enge Verzahnung zwischen dem Auftraggeber SEH Engineering und SEW-Eurodrive resultiert in einem Antriebssystem, das mit dazu beiträgt, dass die Neue Bahnbrücke Kattwyk über Jahrzehnte den Verkehrsfluss über die Süderelbe sicherstellt.

Christian Rüttling

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Foto: SEW
Im Normalbetrieb wird jeweils wechselweise mit nur einem Hauptantriebsmotor pro Pylon gefahren. Im Schwerlastbetrieb liefern beide Hauptantriebsmotoren gleichzeitig die benötigte Leistung. Im Notbetrieb übernehmen dies die beiden Notgetriebemotoren.
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