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Multec: Spannende Entwicklung

Multec zeigte auf der Formnext seinen patentierten Mehrfachdruckkopfes. K&E ging der Sache auf den Grund und sprach mit Geschäftsführer Manuel Tosché über die neuesten Entwicklungen.

Herr Tosché, Ihr 10-Mann-Unternehmen Multec stellt 3D-Drucker her, die jetzt sogar von Hahn+Kolb vertrieben werden. Wie startete Ihr Unternehmen?

Manuel Tosché: Multec ist seit 2011 mit Desktop-Geräten für die FFF verwenden (Fused Filament Fabrication) auf den Markt gegangen. Seit dieser Zeit entwickeln wir diese Technologie auf allen Ebenen weiter. Wir haben sehr früh mit der Entwicklung eines Mehrmaterial-Druckkopfes begonnen, weil wir sahen, dass es hier noch viel Potenzial und Bedarf für die Zukunft gibt.

Die Schmelzschicht-Technologie ist ja bereits gut 20 Jahre alt…

Der bisherige Stand der Technik war so, dass die Mehrfachdrucktechnik nur sehr schwer funktionierte, denn dafür ist die saubere Materialtrennung von Nöten. Limitierender Faktor war auch die Druckgeschwindigkeit. Wir, beziehungsweise meine Frau Petra Rapp (auch Geschäftsführerin bei Multec), haben überlegt, wie sich der Druckprozess verbessern lässt: Ergebnis ist unser neuer Vierfach-Druckkopf, mit dem wir mit einem relativ einfachen Prinzip sehr kompakt in einem Druckkopf die saubere Materialtrennung hinbekommen.

Bis zu vier Materialsorten kombinierbar

Wie genau funktioniert diese saubere, tropffreie Materialtrennung?

Das gelingt dadurch, dass die Düsen in Z-Richtung verfahrbar sind. Nur die druckende Düse fährt für ihren Druckeinsatz nach unten. Die anderen drei Düsen werden in einer einzigen Motorbewegung zurückgezogen und gleichzeitig durch eine mitdrehende Scheibe abgedeckt und verschlossen. Durch diese saubere Materialtrennung kann ich auch mit wasserlöslichem Stützmaterial arbeiten und habe zudem die Möglichkeit bis zu vier verschiedene Materialsorten zu kombinieren – in einem Arbeitsgang!

Materialseitig tut sich gerade sehr viel. Was bedeutet das für den Druckkopf?

Richtig. Es gibt zur Zeit viele neue Materialien auf dem Markt. Wir haben Kontakte mit einem großen Hersteller geknüpft, der neu Filamente (in Drahtform auf Rollen konfektioniertes Material für den 3D-Druck) liefern, wie etwa Peek-Ersatzstoffe (Peek ist ein Hochtemperatur-Kunststoff), Hochleistungskunststoffe, weiche oder harte Materialien.

Mit unserer Mehrfachdüsentechnik ist das auch ein technologischer Schritt gegenüber teureren Drucktechnologien, denn mit diesem Druckkopf kann ich auch indirekt die Druckgeschwindigkeit erhöhen indem wir verschiedene Düsenbohrungsdurchmesser verwenden können – von feinsten Düsen mit 0,2 Millimeter Durchmesser bis zu sehr großen Düsen mit 2,0-Millimeter-Bohrungen.

Gerade, wenn es um größere Druckteile geht, können wir den Innenbereich sehr, sehr schnell füllen und so auch eine größere Stabilität erzeugen. Denn je größer der Wärmeeintrag ist, desto besser auch die Schweißverbindung der einzelnen Lagen. Mit der feineren Düse kann ich gleichzeitig eine bessere Oberflächenfeinheit bewirken.

Müssen Sie dazu nicht auch mit unterschiedlichen Düsentemperaturen arbeiten?

Ja, die Düsen werden einzeln angesteuert und jede einzelne Düse kann mit einer eigenen Betriebstemperatur bis zu 290 Grad Celsius betrieben werden.

Retractfunktion verhindert beim Düsenwechsel ein Abstreifen den Materials

Wird beim Verschließen der inaktiven Düsen nicht das hervorstehende Material abgestreift?

Nein, das ist eine Software-Steuerungs-Angelegenheit: Es gibt hier die sogenannte Retractfunktion, die bewirkt, dass bei einem Düsenwechsel – das ist sozusagen das i-Tüpfelchen des sauberen Druckvorganges – die flüssige Kunststoffmasse leicht in der Düse zurückgezogen wird. Dabei entsteht ein ganz leichter Unterdruck. Das funktioniert natürlich nur temporär doch reicht zeitlich, um die Düse mit der Abdeckscheibe zu verschließen.

Liegt die Abdeckscheibe direkt an der Düse an?

Ja, auf der Abdeckscheibe aus Aluminium liegt ein hitzebeständiges Dichtmaterial auf. So werden die nicht druckenden Düsen verschlossen und abgedichtet.

Welche Kunststoff-Materialien lassen sich mit ihrem Drucker drucken?

Im Prinzip alle Kunststoffe, die als Filament vorliegen bis zu einer Schmelztemperatur von aktuell 290 Grad Celsius. Wir sind dabei unseren Druckkopf permanent weiterzuentwickeln. So wollen wir zum Beispiel die mögliche Betriebstemperatur noch weiter nach oben treiben. Materialseitig gibt es beispielsweise für Peek entsprechende Ersatzkunststoffe mit ähnlichen Eigenschaften, die sich aber wesentlich besser zum 3D-Druck eignen. Ein weiteres Beispiel ist unser ABS-Ersatz-Kunststoff, der sich ohne beheiztem Bauraum drucken lässt: Der sogenannte Multec PLA HT. Das ist ein biobasierender Kunststoff, hitzebeständig, kerbschlagzäh, lebensmittelecht und mit zum Teil besseren Eigenschaften als ABS – insofern, dass er sich etwa ohne Schrumpfung drucken lässt. Man kann diesen Kunststoff theoretisch sogar recyclen oder in Industriekompostieranlagen kompostieren.

In den USA sah ich einen 3D-Drucker, der neben Kunststoff auch Glassfasern mitdrucken konnte, um das Bauteil stabiler zu gestalten…

Das ist sicher ein spannendes Thema für die Zukunft. Man muss allerdings sehen, was man damit erreichen kann. Denn, wenn kurze Glasfaserfasern im Material sind, dann bringen die eine Festigkeit in Lagenrichtung (Z) eher weniger. Es gibt schon Ideen mit endlosen faserverstärkten Filamenten zu drucken, jedoch nicht mehr Lage für Lage, sondern tatsächlich im dreidimensionalen Raum.

Die komplette Nacharbeit entfällt

Sie verwenden für Halte-/Trenngitter wasserlöslichen Kunststoff...

Das ist PVA (Polyvinylalkohol = wasserlösliches synthetisches Polymer) und basiert auf Alkohol. Es gibt da inzwischen Qualitäten, die recht schnell im Wasserbad lösbar sind und verschiedene PVA-Qualitäten angepasst an verschiedene Kunststoffsorten – beispielsweise PLA (Polylactide) oder PLA HT. Es entfällt die komplette Nacharbeit, wie Entgraten oder das Entfernen der Stege. Die Bauteile müssen nur ins Wasserbad gelegt werden und können nach wenigen Stunden fertig daraus entnommen werden. Beim Verarbeiten von PLA ist unser Druckkopf wieder im Vorteil, weil er sehr sauber und präzise drucken kann.

Warum wird immer noch eine eigene 3D-Drucker-Software benötigt?

Weil diese alle Funktionalitäten beinhaltet, um die Gestaltung der 3D-Objekte individuell festzulegen – von der Layer-Schicht, der
Wandstärke, der Bauteilgeometrie, den Stützstrukturen bis hin zum Füllgrad.

Zudem lässt sich damit kurzfristig skalieren, ohne konstruktiv eingreifen zu müssen. So kann (etwa beim Metalldruck, wo das Bauteil nach dem Druck getempert werden muss und dabei schrumpft) die Schrumpfung als Prozent­angaben gleich in die Skalierung mit hineingenommen werden. Man muss dazu schon wissen welche Angaben man dem späteren 3D-Teil mitgeben muss, damit daraus dann ein maschinenlesbarer ­G-Code wird.

Wer sind Software-seitig Ihre Partner?

Wir sind mit Materialise im Gespräch, mit Autodesk, Schrägstrich „Netfabb“, Siemens (NX) und natürlich auch mit unserem langjährigen Partner Simplify 3D, denn wir sehen für die Zukunft noch viel Entwicklungspotenzial, gerade weil unser Vierfach-Druckkopf viele neue Einstellmöglichkeiten bietet. Wir suchen einen langfristigen Partner, der eine Software auf unsere Drucker zugeschnitten entwickelt. Es gibt viele Ideen, etwa nicht durchgängig mit dem teureren Stützmaterial PVA zu arbeiten, sondern lediglich an den Trennstellen, um so – trotz des PLA-Abfalls für das Stützgitter – insgesamt Materialkosten zu sparen. Um solche Dinge zu realisieren, bedarf es entsprechender Software-Lösungen.

Hahn+Kolb als Vertriebspartner

Sie kooperieren als Kleinunternehmen mit großen Unternehmen...

Wir sind Spezialisten und konzentrieren uns auf den 3D-Druck und unsere additive Technologie. Für den Vertrieb ist schon heute Hahn+Kolb unser Partner. Für den Aufbau der Drucker kooperieren wir mit externen Maschinenbauern. Damit ist es möglich, dass wir auch Stückzahlenschwankungen nach oben einfach abfangen können, ohne in Lieferschwierigkeiten zu kommen – denn der Markt an Industrie-3D-Druckern ist absolut nicht prognostizierbar.

Wir gehen den Weg der Entwicklung, der Betreuung der Kunden, der Beratung und des Service. Wenn die Maschine von unserem Partner zu uns kommt, wird sie hier montiert, ausgestattet (Druckerkopf, Steuerung etc.), getestet, in Betrieb genommen und dann geht sie zum Kunden.

Der nächste Druckertyp wird der M1000 sein und hier wollen wir die Fertigungstechnologien Additiv und Abrassiv miteinander verbinden. Das heißt, in einer Maschine wird das Bauteil additiv aufgebaut und während und nach dem Drucken wird das Bauteil bereits spanend bearbeitet. Es geht darum Oberflächen zu verfeinern, Maßhaltigkeiten oder Funktionsflächen noch genauer hinzubekommen, als es mit dem reinen 3D- Druck möglich ist. Damit wollen wir die Vorteile beider Fertigungsverfahren in einer Maschine bündeln. Für einen externen Zulieferer ginge es darum eine 3D-Druck-gerechte Steuerung zu entwickeln, die ja nicht so komplex sein muss wie für ein 5-Achs-Bearbeitungszentrum.

Beim aktuellen Modell M800 liefert das Unternehmen Isel die Grundmaschine. Das Unternehmen hat ein echtes Maschinen-Baukastensystem, bei dem man sich bedienen kann, von der Komponente bis zum kompletten Filament-Magazin. Wir haben eine gemeinsame Konstruktion und Isel baut dann die Maschinen auf.

Der 3D-Druck gewinnt auch in der Industrie an Fahrt. Was ist Ihre Prognose?

Die Kleinserienfertigung ist bereits gang und gäbe. Wir sehen auch, dass die Technologien in die Firmen hinein kommt wegen des Vorteils der Zeitersparnis, denn damit besteht die Möglichkeit mit einer relativ günstigen Maschine ohne Werkzeuge selbst Prototypen und Kleinserien zu fertigen, um damit vorhandene Fertigungstechnologien zu ergänzen oder sogar ein Stück weit zu ersetzen – ohne dazu einen Zwischenlieferanten zu brauchen oder eine teure CNC-Maschine zu blockieren. Der 3D-Drucker kann über Nacht laufen und am nächsten Tag hat man sein/seine Bauteil/e.

Der Schwerpunkt für uns ist der Maschinenbau. Es gibt in allen Branchen immer mehr Interesse, um diese Technologie bei sich selbst einzusetzen. Die eigentliche Investition ist nicht der 3D-Drucker sondern Mitarbeiter, die sich mit dieser Technologie auskennen müssen. Eigentlich ist der Konstrukteur oder der Entwickler dafür am besten geeignet, um seine eigenen 3D-Modelle 3D-Druck-gerecht zu konstruieren und seinen Druck-Job an den 3D-Drucker abzuschicken. Der Maschinenbediener muss dann nur noch das Filament einlegen oder die Bauteile entnehmen – aber selbst das wird später sicher automatisiert und kann dann ferngesteuert laufen.

Einige Logistiker senden schon heute solche Druck-Jobs direkt vor Ort, beispielsweise nach Indien, wo dann Ersatzteile in nur der benötigten Menge gedruckt werden. Damit entfallen lange Transportwege und Lagerkapazitäten – das wird noch ein spannendes Thema werden.

Erik Schäfer

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