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Bei der Teilchenkollision sind die Detektoren enorm hohen Strahlenbelastungen ausgesetzt. Deswegen müssen deren Bestandteile immer wieder getestet, verbessert und gegebenenfalls ausgetauscht werden. 
Foto: Cern
Bei der Teilchenkollision sind die Detektoren enorm hohen Strahlenbelastungen ausgesetzt. Deswegen müssen deren Bestandteile immer wieder getestet, verbessert und gegebenenfalls ausgetauscht werden. 

Inhaltsverzeichnis

Prototyping

So nutzt das Cern die Additive Fertigung

Am Cern werden die Bedingungen des Urknalls rekonstruiert. Mit dabei: 3D-Drucker. Denn damit werden Prototypen und Werkzeuge für die Teilchendetektoren schneller entwickelt.

Autor: David Lakatos, Formlabs 

Was ist der Ursprung unseres Universums? Um diese Frage zu beantworten, lassen Wissenschaftler im Teilchenbeschleuniger am Cern Elementarteilchen aufeinanderprallen. Das sind die kleinsten Bestandteile des Universums. Für die Experimente braucht es Teilchendetektoren. Das sind Bauteile oder Messgeräte, die freie, bewegte Moleküle, Atome oder Elementarteilchen nachweisen. Teilchendetektoren bestimmen die Interaktionen und Kräfte zwischen elementaren Objekten und damit die tiefsten Strukturen von Raum und Zeit.

Bevor sie aber konstruiert, montiert und anschließend im Teilchenbeschleuniger verwendet werden können, müssen zunächst Prototypen sowie spezielle Werkzeuge und Formen entwickelt werden. Diese sind für die Montage und zum Testen der Detektoren nötig. Hierbei machen sich die Ingenieure des Cern die Additive Fertigung zunutze. Die Maße einzelner Teile des Teilchenbeschleunigers haben nur eine sehr geringe Toleranz, wenn es um Abweichungen in der Größe geht. Gerade deshalb ermöglicht der 3D-Druck ihnen eine kontinuierlich präzise Produktion.

Die Entstehung des Universums rekonstruieren

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Anhand von Teilchenkollision wollen die Wissenschaftler im Cern herausfinden, wie unser Universum entstand. Diese Kollision wurde 2017 aufgenommen. 
Foto: Cern
Anhand von Teilchenkollision wollen die Wissenschaftler im Cern herausfinden, wie unser Universum entstand. Diese Kollision wurde 2017 aufgenommen. 

Das Cern beherbergt den größten und leistungsstärksten Teilchenbeschleuniger der Welt, den Large Hadron Collider (LHC). Der Teilchenbeschleuniger besteht aus einem 27 km langen Ring aus verschiedenen Beschleunigungsstrukturen, die die Energie der Teilchen erhöhen. Collider beschreibt das Zusammentreffen der zwei Strahlen, die diese Teilchen bilden. Die Strahlen bewegen sich in entgegengesetzte Richtungen und kollidieren an vier Punkten. Der LHC erzeugt eine Energiedichte und Temperatur, die den Bedingungen wenige Augenblicke nach dem Urknall ähneln. Die Teilchen erreichen nahezu Lichtgeschwindigkeit. So werden die Flugbahnen der bei den Kollisionen entstandenen Teilchen rekonstruiert, woraus sich wiederum Rückschlüsse auf die Eigenschaften der kollidierten sowie der neu entstandenen Teilchen ziehen lassen. 

Um aus diesem Ablauf Erkenntnisse über die Materie und Entstehung unseres Universums gewinnen zu können, müssen die entstehenden Teilchen nachweisbar und bestimmbar sein. Hier kommt der Teilchendetektor ins Spiel. Im LHC treffen viele Teilchen mit hoher Energie aufeinander. Bei der Teilchenkollision sind die Detektoren enorm hohen Strahlenbelastungen ausgesetzt. Deswegen müssen deren Bestandteile immer wieder getestet, verbessert und gegebenenfalls ausgetauscht werden. 

10 Kriterien: Additive Fertigung oder Spritzguss?

Nachdem der 3D-Druck dem Prototyping entwachsen und auch für die Produktion geeignet ist, stehen Entwickler und Konstrukteure vor der Frage: Spritzguss oder Additive Fertigung? Diese 10 Kriterien helfen Ihnen bei der Auswahl des passenden Fertigungsverfahrens.
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Der Maschinenbauingenieur Massimo Angeletti ist beim Cern in der Abteilung für Experimentalphysik für die Entwicklung, den Bau und den Betrieb von Teilchendetektoren zuständig. Angelettis Abteilung nutzt bereits seit sechs Jahren für verschiedene Anwendungen verschiedene 3D-Drucker, die im Stereolithografie-Verfahren (SLA) arbeiten. Vor allem in der Prototypenfertigung wird die Additive Fertigung am Cern intensiv eingesetzt. Denn die Prototypisierung ist ein entscheidender Schritt im Entwicklungsprozess der Teilchendetektoren. Vor dem Umstieg auf eine hausinterne additive Produktion war die Abteilung auf externe Zulieferer angewiesen und musste selbst auf die Lieferung recht einfacher 3D-Druck-Teile wochenlang warten. 

Teile optimieren: drucken, testen, ändern von heute auf morgen

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Für das Rapid Prototyping von Teilchendetektoren nutzt das Cern auch die 3D-Drucker von Formlabs.
Foto: Formlabs
Für das Rapid Prototyping von Teilchendetektoren nutzt das Cern auch die 3D-Drucker von Formlabs.

Mit der additiven Inhouse-Fertigung können die Maschinenbauingenieure vom Cern ihre Prototypen so schnell wie nie zuvor direkt aus CAD-Daten designen, leicht anpassen und verändern. Nach dem CAD-Design konvertieren sie die Datei in das STL- oder OBJ-Format, um sie an den 3D-Drucker zu senden. Im Anschluss können die Prototypen direkt vor Ort in wenigen Stunden oder gar Minuten gedruckt werden. Die Anpassungen einzelner Teile stützen sich auf Tests unter realen Bedingungen und Feedback von vorherigen Prototypen. Physische Modelle ermöglichen es Ingenieuren, das Nutzerfeedback in die Teiloptimierung zu integrieren. Durch das Rapid Prototyping mit den SLA-3D-Druckern konnte das Team die Entwicklungszeiten verkürzen.

Bei SLA wird mit flüssigem Kunstharz gedruckt. Das Harz befindet sich in Kartuschen und kann flexibel ausgetauscht werden. Beim Druck fließt das flüssige Harz in einen Tank und wird dort anschließend mit UV-Strahlen gehärtet. Zu Beginn des Drucks fährt eine Druckplattform herunter, bis sie mit dem Kunstharz abschließt. Anschließend härtet der Laser Schicht für Schicht das Produkt. In diesem Prozess taucht die unterste Schicht immer wieder in das flüssige Kunstharz ein, sodass ein nahtloser Druck möglich ist. Für den SLA-Druck werden ständig neue Materialien entwickelt, die verschiedenen technischen Ansprüchen genügen – auch für den Druck von Prototypen gibt es ein spezielles Kunstharz.

Material: Das Cern bevorzugt schwarz und durchsichtig

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Das Cern-Team testet Rigid 10K Resin, um zukünftig auch Teile für die Endverwendung zu drucken.
Foto: Formlabs
Das Cern-Team testet Rigid 10K Resin, um zukünftig auch Teile für die Endverwendung zu drucken.

Die Materialauswahl des Cern fiel während der Prototypentwicklung unter anderem auf Black Resin und Clear Resin. Das Black Resin ist direkt nach dem Druck universell einsetzbar und eignet sich daher gut für die Prototypisierung. Clear Resin lässt sich zu nahezu optischer Transparenz polieren und ist daher ideal für die Arbeit mit Licht oder für die Darstellung interner Merkmale.

Die Additive Fertigung ermöglicht einen 24-Stunden-Entwurfszyklus: Der erste Entwurf wird während der Arbeitszeit erstellt. Über Nacht fertigt der 3D-Drucker die Prototypenteile. Am nächsten Tag werden die Prototypen gereinigt, getestet und bei Bedarf verbessert. Dieser Zyklus kann sich beliebig oft wiederholen. So wird ein betriebsinternes Rapid Prototyping bei regelmäßiger Nutzung günstiger und schneller als ein ausgelagertes.

Das Forschungsteam ist nach einer Schulung in der Lage, die Drucker selbstständig und sicher zu bedienen. Die Ingenieure erstellen die Designs in einer CAD-Modelliersoftware und senden sie an den 3D-Drucker. Durch die Gestaltungsfreiheit der Additiven Fertigung lassen sich auch komplexe dreidimensionale Formen wie die filigranen Strukturen für Teilchendetektoren herstellen. Heute werden 3D-gedruckten (Kunststoff-)Bauteile in immer mehr und verschiedenen LHC-Experimenten genutzt. So konnten die Ingenieure beispielsweise eine 3D-gedruckte Stützvorrichtung fertigten, die drei gebogene, 40 µm dünne Chip-Sensoren des Typs Alpide Maps während eines Tests mit Teilchenstrahlen in Position hält.

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An den Teiledetektoren werden regelmäßig Verbesserungen und Reparaturen vorgenommen. Diese Aufnahme stammt von 2017.
Foto: Cern
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