Flexibilität, hohe Präzision, eine rationelle Produktion und wettbewerbsfähige Preise sind nur einige der Anforderungen, die seitens privater, gewerblicher und öffentlicher Auftraggeber sowohl an Konstruktionen als auch an deren Macher gestellt werden. Dasselbe gilt für deren Lieferanten. Wie gehen Zulieferunternehmen mit dieser Situation besonders vor dem Hintergrund des Energiesparens und der Ressourcenschonung um? Und wie stellen sie ihre Kunden im Falle von Sonderlösungen zufrieden? Wir unterhielten uns darüber mit Dieter Wohlschlegel, Engineering Manager der ACE Stoßdämpfer GmbH.
Herr Wohlschlegel, schaut man sich stellvertretend die Automatisierung an, fällt die Notwendigkeit effizienter werdender Antriebe ins Auge. Warum sollten Entwickler aus Ihrer Sicht das Thema Dämpfung mitdenken?
Dieter Wohlschlegel: Weil es zum Thema Effizienz gehört, dass die Dimensionen von Gesamtkonstruktionen nicht ausufern. Soll ein Antrieb am Ende einer Wegstrecke auch das Verzögern übernehmen, ist ein leistungsstärkerer, größerer Antrieb zu verbauen, der oft auch mehr Ressourcen verbraucht. An dieser Stelle bieten sich unsere stromlos arbeitenden Produkte als Bremslösung an, die sowohl den baulichen als auch den ökologischen Fußabdruck nicht nur der Antriebskonstruktion verkleinern. Einsparungen ergeben sich unter anderem daraus, dass sich dank Klein- und Industriestoßdämpfern die Massen mit dem kleinstmöglichen Pneumatikzylinder bewegen lassen, wodurch die Verwendung kleinerer Ventile und Wartungseinheiten möglich ist. Überdies wird permanent Druckluft und der zur Verteilung nötige Strom gespart. Betrachtet man zum Beispiel Pick-and-place-Lösungen, sind bei der pneumatischen Endlagendämpfung circa drei bis vier Kubikzentimeter Luft notwendig, die häufig auf bis zu 70 Bar verdichtet werden. Mit Kleinstoßdämpfern ist das nicht nötig, da diese die Bewegungen sicher und schnell beim Erreichen der Endlage abbremsen. So lassen sich besonders mit Hilfe dieser hydraulisch arbeitenden Komponenten die Taktraten erhöhen sowie Maschinen und Materialien schonen. Seit 2016, als die ACE Stoßdämpfer GmbH ein Teil der Stabilus-Gruppe wurde, bieten wir für über 90 Prozent aller industriellen Konstruktionen geeignete Maschinenelemente an. Diese decken sowohl die Stoßdämpfung als auch den wichtiger werdenden Bereich der Schwingungsdämpfung ab. Als dritte und vierte Säule haben wir Sicherheitsprodukte und Lösungen zur Geschwindigkeitsregulierung im Programm.
Das hört sich nach vielen Einzellösungen an. Wie verhindern Sie, dass Ihre Kunden den Überblick verlieren?
Dieter Wohlschlegel: Hier ist unser Internetauftritt zu nennen. Wir haben die Digitalisierung früh als Chance begriffen. Das fing mit eigenen Berechnungsprogrammen an, die uns lehrten, wie wichtig die Visualisierung unserer Lösungen ist. Es setzte sich fort über die ersten Webseiten, in die wir schnell die online zugängliche 3D-CAD-Bibliothek integrierten. Danach war es konsequent, beide Ansätze in eigenen Auslegungs- und Konfigurationsprogrammen zu vereinen. Egal, ob für Stoßdämpfer, Gasfedern, Dämpfungsmatten oder hydraulische Bremszylinder, für die meisten unserer Produkte haben wir intuitiv bedienbare Konfiguratoren entwickelt, mit denen Kunden in wenigen Schritten zu idealen Lösungen kommen. Ein Online-Shop rundet dieses Angebot ab, sodass wir jeden Tag rund um die Uhr für Konstrukteure erreichbar sind. Wer lieber offline arbeitet, für den sind wir telefonisch erreichbar, und vor Ort steht nach wie vor ein großes Team an technischen Experten beratend zur Verfügung, und das wird auch so bleiben.
Kann man sich diese Personalkosten nicht sparen? Immerhin werden sich in den nächsten Jahren immer mehr digitale Eingeborene auf dem Arbeitsmarkt der Konstrukteure tummeln.
Dieter Wohlschlegel: Ja und nein. Es stimmt, die Digitalisierung nimmt zu und wir können online mittlerweile viel abdecken. Aber im Gegensatz dazu nimmt auch die Komplexität der Anfragen zu und die damit verbundene notwendige Engineering-Power steigt. Wir können also mittlerweile Kundenanfragen einfach durch Standarddämpfer und durch Online-Berechnungen beantworten. Ist dies aber nicht der Fall, dann wird es oft sehr speziell. Sondermaschinen werden immer individueller und damit komplexer. Entsprechend müssen wir den Support leisten. Aktuell haben wir den Fall in Autowaschanlagen, bei denen Industriestoßdämpfer an den Schwenkarmen zum Einsatz kommen, an denen die Textilbürsten befestigt sind. Diese Schwenkarme gilt es, in der Endlage rückprallfrei abzubremsen, um einerseits den Durchsatz an gewaschenen Fahrzeugen pro Tag zu erhöhen. Andererseits vermeidet die hydraulische Endlagendämpfung Schäden am Lack dieser Automobile und an der Gesamtkonstruktion. Vorab konnten uns weder der Kunde noch unser Vertriebsingenieur sagen, mit wie viel Wasser und Wasch-Chemie sich die Bürsten vollsaugen, wovon abhängt, wie groß die Massenkräfte sind, welche die Dämpfer linear abzubauen haben. Die Lösung war eine ganze Testbatterie, mit der wir vor Ort den idealen Dämpfer und die richtige Einstellung gefunden haben. Am Ende steht für uns Kundenzufriedenheit.
Das ist ein schönes Ziel, aber mit den bestehenden Produkten wahrscheinlich nicht immer zu erreichen. Heißt das, dass Sie ständig an der nächsten Lösung arbeiten?
Dieter Wohlschlegel: Ja. Hier kommt uns unsere Projektarbeit zugute. So sind in der Vergangenheit aus der intensiven Zusammenarbeit mit den Kunden schon neue Produkte in Form von Kleinserien entstanden. Dabei haben wir eine bestehende Dämpfungslösung aus dem Katalogprogramm genommen und diese dann genau an die Anforderungen des konkreten Einsatzfalles angepasst. Ein gutes Beispiel ist der Einbau von in Summe jeweils 10 einzigartigen Kleinstoßdämpfern, die in einem Handlingsystem eines Chipherstellers arbeiten. Dort galt es zuerst, drei hochpräzise Achsen vor Havarien zu schützen. Im ersten Schritt ermittelten wir zusammen mit dem Kunden für jede Achse den passenden Dämpfertyp, der den genauen Spezifikationen zu entsprechen hatte. Zusätzlich war von uns eine maximal tolerierte Stützkraft im Crashfall zu berücksichtigen. Auf Basis aller Eckdaten haben wir in einem zweiten Schritt das Bohrbild bei den in Frage kommenden Kleinstoßdämpfertypen entsprechend simuliert. Dabei gelang es uns, Energie und Geschwindigkeit gleichmäßig über den gesamten Hub von 14 mm zu verzögern und die maximale Stützkraft deutlich zu reduzieren. In einem dritten und letzten Schritt optimierten wir die Standarddämpfer, indem wir sie den Simulationsergebnissen entsprechend nach Maß anpassten und nach ausgiebigen Tests an den Hightech-Kunden auslieferten.
Sie haben jetzt zwei Beispiele aus dem Kerngeschäft der Stoßdämpfer genannt. Ist eine entsprechende Anpassung und Weiterentwicklung auch in anderen Geschäftsbereichen schon vorgekommen?
Dieter Wohlschlegel: Natürlich. Die Liste lässt sich fast beliebig fortsetzen, vor allem dank unserer seit 2016 immer enger werdenden Zusammenarbeit innerhalb der Stabilus-Engineering-Community. Dadurch können wir mit unserem Engineering-Support Kunden bedienen, die wir so bisher im Rahmen der beiden beschriebenen ACE-Projekte nicht unterstützen konnten. So haben wir beispielsweise zusätzliche Möglichkeiten mit Testmaschinen am Hauptstandort von Stabilus in Koblenz und liefern auch den Simulation X-Support für die ACE Schwesterfirmen, wie etwa für Fabreeka, Hahn Gasfedern oder Tech Products. Das Know-how von Stabilus aus der Automobilindustrie, aber auch das unserer Schwester General Aerospace aus Luft- und Raumfahrt fließt mehr und mehr in unsere Produkte ein. Auf ACE zurückkommend, haben wir jenseits der Stoßdämpfer für die Autoindustrie unsere Festkörperdämpfer, die den Familiennamen Tubus tragen, zu einer eigenen Baureihe namens Tubus-Spezial weiterentwickelt. Ausgehend von der Anfrage eines deutschen Herstellers, haben wir eine neue Art von Niederhalterdämpfern eingeführt, von denen nach und nach immer mehr Autokonzerne erfuhren und sie für ihre Presswerkzeuge bei uns anfragten, sodass verschiedene Tubus-Spezial nun weltweit zum Einsatz kommen. Ein zweites Beispiel aus der Welt der Blechumformung abseits der Stoßdämpfer ist unsere Maßarbeit von Industriegasfedern bei Platinengreifern. Hier erreichte uns die Anfrage eines weltweit tätigen Kunden, einen in der Höhe zu verfahrenden Aufsetztisch beim Anheben in der oberen Endlage kräftemäßig zu unterstützen. Der 2.000 Kilogramm schwere Greifer kann mit einer Platinenlast von bis zu 8.000 Kilogramm beladen werden. Zur sicheren Fixierung der teils öligen Last bestand die Lösung darin, den Tisch nach Aufsetzen des Greifers mit Hilfe von vier leistungsstarken Gaszugfedern anzuheben, um die Platinen freizugeben. Beim Anheben des Greifers muss der Aufsetztisch schnell und kontrollierbar nach unten zu bewegen sein, damit die Platinen gesichert sind. Um diese Vorgänge zu unterstützen, mussten wir mehrere Herausforderungen meistern. Auf der einen Seite mussten die Gasfedern aufgrund der maximalen Platinenlast von 8 Tonnen extrem leistungsstark, auf der anderen Seite aber auch exakt einstellbar sein. Nur so ließ sich die gewünschte Bewegung und Geschwindigkeit des Tisches ermöglichen. Außerdem erforderten zusätzlich zu berücksichtigende, aber vorher nicht berechnete Faktoren wie Umlenkrollen und das Gewicht beim Absenken, dass die Einstellung der Gasfedern vor Ort vorzunehmen war. Dabei kam uns deren Ventiltechnik zugute. In der ersten Bemusterung waren die Federn noch überdimensioniert. Deshalb haben wir den Stickstoff so weit abgelassen, bis eine ideal passende Ausschubkraft erreicht war.
Geben Sie uns bitte noch einige Ausblicke auf die Zukunft. Was sind die nächsten Neuheiten, die Sie in der Pipeline haben und wie begegnen Sie dem Nachwuchsmangel?
Dieter Wohlschlegel: Ganz frisch auf dem Markt werden 2022 XL-Edelstahlausführungen der Industriestoßdämpfer von ACE sein. Damit ist es gelungen, den in der charakteristischen Topfform konzipierten Industriestoßdämpfer Made in Germany bei ACE erstmals mit einem Hub von 150 Millimeter in Edelstahl anzubieten. Auf diese Weise runden wir die von Konstrukteuren als Goldstandard angesehene Serie der Industriestoßdämpfer mittlerer Baugröße am oberen Ende der Palette ab. Dort ist es technisch am anspruchsvollsten. Dies gelang durch die Entwicklung und Nutzung spezieller Werkzeuge zur Veredelung des langen zylindrischen Gehäuses mit durchgehendem Gewinde im Format M64 in Edelstahl, bei dem dank der Topfform am unteren Ende keine Dichtungen nötig sind. Für Konstrukteure geht mit der Neuheit eine Erweiterung ihrer Möglichkeiten in kritischen Umgebungen einher, weil die Kombination aus größerem Gehäuse mit neuester Dichtungstechnik, gehärtetem Führungslager und integriertem Festanschlag die Dämpfungsleistungen und Lebensdauern dieser selbsteinstellenden Dämpfer entscheidend steigert. Anwender haben mit Energieaufnahmen von bis zu 5.650 Newtonmeter und einem effektiven Massenbereich bis 63.700 Kilogramm jetzt auch in Edelstahl mehr Spielraum bezüglich der Dämpfergröße und der Ausnutzung der Maschinenleistung, denn diese XL-Dämpfer trotzen Umwelteinflüssen und Salzwasser besser als konventionelle Ausführungen und erfüllen zudem strenge Hygienerichtlinien in der Medizintechnik und Lebensmittelindustrie. Ähnliche Erweiterungen stehen bei den Kleinstoßdämpfern der PMCN-Familie an. Das sind Komponenten, die dank eines Faltenbalges gegen aggressive Fluide geschützt sind und die ebenfalls in neuen Größen erhältlich sein werden, auch aus Edelstahl. Diese Kleinstoßdämpfer sind überall erste Wahl, wo herkömmliche Dämpfer zu schnell verschleißen, da sie das empfindliche Innenleben in Bearbeitungszentren oder anderen Anwendungen des Anlagen- und Maschinenbaus dank der Schutzkappe besser vor Schleif- und Kühlmitteln schützen.
In punkto Nachwuchs haben wir 2017 den Award Innovace ins Leben gerufen, um ACE für junge Konstrukteure interessant zu machen. Hierbei treten wir als Unterstützer und Ideengeber auf, indem Studenten und sie begleitende Dozenten eine bestimmte Aufgabe gestellt bekommen, die sehr nah in die Praxis führt. Wir unterstützen zudem einzelne Teams der studentischen Rennserie Formula Student, und wir haben einen Kollegen, der regelmäßig Vorträge über die Dämpfungstechnik an deutschsprachigen Lehreinrichtungen hält. In dem Zusammenhang bieten wir auch Praktikumsplätze, begleiten Bachelor- und Masterarbeiten und arbeiten mit Instituten wie Fraunhofer zusammen. Sie sehen also, bei uns ist es nie langweilig.