Mit dem Klimaschutz als Marketinginstrument rücken Transparenz und Offenlegung von CO2-Emissionen immer mehr in den Fokus der Unternehmen. Welche Mengen an Treibhausgasemissionen sind mit einem Produkt verbunden? Dieser Product Carbon Footprint (PCF) wird künftig als zusätzliches Preisschild auf den Produkten kleben und ein Kaufkriterium für Vor- und Zwischenprodukte sein – zumindest für die Unternehmen, die den PCF ihrer eigenen Produkte senken wollen. Denn die Emissionen der Vor- und Zwischenprodukte aus der vorgelagerten Wertschöpfungskette haben oft einen erheblichen Einfluss auf den PCF des Endproduktes.
„Es kommt die Zeit des Product Carbon Footprint als ein wichtiges Kriterium bei der Kaufentscheidung unserer Kunden“, so Dr. Martin Jung, President Performance Materials bei BASF. Gemeinsam mit ihren Kunden entwickelt die BASF daher nun konkrete Lösungen, um die CO2-Emissionen auch entlang der Wertschöpfungskette bis zum finalen Verbraucherprodukt zu reduzieren.
Doch welche Mengen an Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) sind mit einem Produkt verbunden? Die Antwort auf diese Frage gewinnt an Bedeutung. Im PCF werden für ein Produkt alle THG-Emissionen aufaddiert, die bei der Herstellung eines Kilogramms des jeweiligen Produktes freigesetzt wurden. Klimawirksame Gase wie Methan oder Lachgas werden dabei in CO2-Emissionen mit derselben Wirkung umgerechnet.
Am Anfang stehen Scope 3 Emissionen
Das Greenhouse Gas Protocol (GHG) ist dabei ein wichtiger, international anerkannten Standard zur Berechnung von THG-Emissionen. Es kategorisiert die THG-Emissionen in drei Scopes. Sie dienen dazu, die direkten und indirekten Emissionen eines Unternehmens zu unterscheiden.
Bei den Emissionen jedes einzelnen Akteurs in der Lieferkette wird unterschieden zwischen direkten Emissionen (Scope 1), die im eigenen Unternehmen entstehen und indirekten Emissionen, die durch den Einkauf von Energie (Scope 2) und Produkten (Scope 3) bei externen Lieferanten entstehen. Die kumulativen Emissionen bei einem Akteur in der Lieferkette werden zu Scope 3 Emissionen eines Produktes für den nachgelagerten, nächsten Akteur in der Wertschöpfungskette.
Product Carbon Footprint als Kaufkriterium
Somit werden sämtliche Emissionen aller Prozesse im PCF des jeweiligen Vor-, Zwischen- oder Endproduktes berücksichtigt. Das heißt: Für ein Produkt ist der PCF umso höher, je mehr Prozessstufen für die Herstellung benötigt werden, je mehr fossile Energien eingesetzt werden und je mehr Abgase und Abfall anfallen.
Es zeichnet sich ab: Dieser CO2-Fußabdruck eines Produktes wird für Industriekunden und Endverbraucher ein immer wichtigeres Leistungskriterium. Sie fragen immer häufiger nach Produktalternativen und wollen einen Beitrag zur Emissionsminderung leisten. Doch ebenso wie bei den klassischen Eigenschaften eines Produkts, wie Qualität, Leistung und Preis, sind auch beim PCF Transparenz und Vergleichbarkeit entscheidend.
Die Standards zur Berechnung umfassen neben dem Greenhouse Gas Protocol eine Reihe von ISO-Normen (ISO 14040, 14044 und 14067). Diese Regelwerke sind aber noch nicht sehr eng gefasst und lassen Berechnungsoptionen offen. Fallen z. B. in einer chemischen Reaktion gleichzeitig zwei Produktströme an, so gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Emissionen auf die beiden Produkte zu verteilen: basierend auf der Masse der Ströme, dem Wert der Ströme oder der chemischen Basis der Ströme.
BASF: Treibhausgasdaten für rund 45.000 Produkte
BASF ist das erste Chemieunternehmen mit transparenten Treibhausgasdaten für ihr gesamtes Portfolio aus rund 45.000 Produkten. BASF hat hierfür eine umfassende digitale Lösung entwickelt, mit der sich die CO2-Fußabdrücke ermitteln und berechnen lassen. Diese berücksichtigt sämtliche Prozesse entlang der gesamten Lieferkette, von der Gewinnung der Ressourcen über die Herstellung der Vorprodukte und des Endprodukts bis zu dem Punkt, an dem das Endprodukt das Unternehmen verlässt.
„Als integriertes Unternehmen mit eigener Basischemikalienproduktion sind wir in einer sehr guten Position, um unsere Kunden bei der Dekarbonisierung ihrer vorgelagerten Wertschöpfungsketten zu unterstützen“, erklärt Jung.
Am Beginn einer chemischen Produktionskette steht immer ein Rohstoff wie zum Beispiel Rohöl, der in seiner Lagerstätte emissionsfrei, d.h. mit einem PCF von null, vorliegt. Jeder einzelne weitere Schritt, das Bohren nach Öl, das Pumpen, Aufreinigen, Raffinieren, Cracken etc. fügt Emissionen hinzu, die aufaddiert werden zum PCF des jeweiligen Zwischenproduktes.
Für ein Kilogramm Methan sind das etwa 25 kg CO2, für ein Kilogramm Lachgas etwa 270 kg CO2. Der Gesamtwert des PCF wird dann in Kilogramm CO2-Äquivalente pro Kilogramm Produkt angegeben.
„Im Kern müssen sich die Industrien auf gemeinsame Methoden einigen, und die Hersteller müssen sich den Grundsatz zu eigen machen, ihre Daten zum CO2-Fußabdruck ihrer Produkte mit ihren Partnern in der Wertschöpfungskette zu teilen“, argumentiert Jung. Jenseits der produktorientierten Industrieverbände engagiert sich BASF aktiv in zahlreichen Konsortien, um die Angleichung an eine gemeinsame Berechnungsmethodik zu fördern sowie Mechanismen und Plattformen für den Datenaustausch zu schaffen.
Die Revolution des PCF-Datenaustauschs
Ein wichtiges globales Konsortium für die Chemiebranche ist die Initiative Together for Sustainability (TfS) mit Sitz in Brüssel. TfS-Geschäftsführerin ist Dr. Gabriele Unger. Bevor sie zu TfS kam, arbeitete sie bei BASF, einem Gründungsmitglied der Initiative. Derzeit repräsentieren die TfS-Mitglieder einen weltweiten Jahresumsatz von über 800 Mrd. EUR in der chemischen Industrie.
TfS entwickelt in einem Pilotprojekt eine transparente Datenaustauschlösung für den Product Carbon Footprint, die auf der Siemens SiGreen-Technologie fußt. Die Lösung zielt nicht nur darauf ab, die Transparenz innerhalb des Chemiesektors zu erhöhen. Hauptziel des Pilotprojekts ist es, die TfS-Mitglieder und ihre Lieferanten in die Lage zu versetzen, Daten über den CO2-Fußabdruck ihrer Produkte auszutauschen. Der Datenaustausch erfolgt über ein offenes Netzwerk, das die zuverlässige Verfolgung des CO2-Fußabdrucks eines Produkts über die gesamte Lieferkette hinweg ermöglicht. Der voraussichtliche Abschluss dieses Pilotprojekts ist für Mitte 2024 geplant.
Doch die BASF gehen noch weiter: „Wir haben unsere digitale Lösung auf dem Markt verfügbar gemacht, indem wir sie an Softwarehäuser lizenziert haben. Diese unterstützen nun auch andere Unternehmen dabei, den CO2-Fußabdruck ihrer Produkte zu ermitteln und die Emissionen entlang der ganzen Wertschöpfungskette besser zu verstehen“, erklärt Dr. Martin Jung von BASF.
Kaufentscheidungen auf Basis von PCF
Scope 3 Emissionen, also der PCF von zugekauften Vor- und Zwischenprodukten, können wesentlich zum PCF eines Endproduktes beitragen. Erste Kaufentscheidungen auf Basis von PCF werden bereits dort getroffen, wo Kunden ihre Scope 3 Einkaufs-Emissionen senken wollen und auch ein Budget dafür reserviert haben. Voraussetzung hierfür sind aber verlässliche Emissionsdaten, die der Lieferant – wie zum Beispiel BASF – zur Verfügung stellen kann. Beides ist bislang eher die Ausnahme als die Regel. Mittel- und langfristig wird sich der PCF aber als ein wesentliches Kaufkriterium wie eine zweite Währung etablieren. Kunden werden nach wie vor möglichst preisgünstig, aber auch möglichst wenig Emissionen einkaufen wollen.
„Um unsere Kunden mit Materialien mit möglichst geringem CO2-Fußabdruck zu beliefern, reicht es auch für uns nicht aus, sich nur auf die Reduzierung der Scope 1- und 2-Emissionen zu konzentrieren. Im Durchschnitt stammen etwa 70 % des CO2-Fußabdrucks unserer Produkte aus den vorgelagerten Scope-3-Emissionen unserer eingekauften Rohstoffe“, so Jung.
Die Elektrifizierung der Chemie
Doch wie lässt sich der Fußabdruck von Kunststoffen konkret verkleinern? BASF wird hierzu gemeinsam mit ihren Lieferanten Hebel und Ziele identifizieren, um deren Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Bei sich selbst lässt sich der CO2-Fußabdruck während der Herstellung vieler Kunststoffprodukte senken, indem grüner Strom oder Biomasse eingesetzt werden. Zum Teil unterscheidet sich der PCF der BASF-Produkte schon heute von den marktgängigen Benchmark-Werten. Effiziente Prozesse und eine verlustarme Energienutzung in Verbundstrukturen sowie der Einkauf emissionsarmer Rohstoffe tragen dazu bei.
Im nächsten, entscheidenden Schritt entlang der Reise geht es um nichts weniger als eine Neuerfindung der Chemieindustrie. So sind die Elektrifizierung chemischer Prozesse und die Umstellung auf erneuerbaren Strom die mit Abstand wichtigsten Maßnahmen zur Emissions-Reduktion. Beides erfordert erhebliche Investitionen entlang der Lieferkette.
BASF hat entsprechende Projekte zur Elektrifizierung des Steamcrackers und zur Dampferzeugung mit Wärmepumpen aufgesetzt. Gleichzeitig investiert das Unternehmen massiv in die Erzeugung und Nutzung erneuerbaren Stroms.
Zur Erreichung der Klimaziele sind ähnliche Maßnahmen in der gesamten Öl- und Chemieindustrie notwendig, damit Kunststoffe als präferierte Produkte weiterhin ihr großes Potenzial für Emissionsreduzierung in der Anwendung, wie z. B. bei Isolierschäumen, im Automobil oder bei Konsumgütern, ausspielen können.