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Antriebstechnik

CWD: WEA-Systemprüfstand am RWTH Aachen

Im Zentrum des CWD an der RWTH Aachen steht der gewaltige WEA-Systemprüfstand mit 4 MW Leistung. Eine wichtige Komponente im Prüfstand kommt von Stüwe aus Hattingen/Ruhr.

„Für uns ist der Prüfstand beim CWD der RWTH Aachen Werbung. Dort kann der Antriebsstrang einer kompletten Gondel einer Windkraftanlage getestet werden und unsere Schrumpfscheibe ist als wichtiges Verbindungselemente zwischen der Rotorwelle und dem Getriebe immer mit dabei“, freut sich Jan Stüwe, Geschäftsführer des gleichnamigen Herstellers von Schrumpfscheiben in Hattingen/Ruhr.

Hier geht es immer darum, gigantische Kräfte und Momente sicher zu übertragen. Zudem muss diese Verbindung lösbar sein, damit unterschiedlichste WEA-Hersteller Ihre Gondeln beim CWD in Aachen testen lassen können – sei es zur Zertifizierung oder schlicht, um den Wirkungsgrad ihrer Windenergieanlage (WEA) weiter zu optimieren.

Eine Effizienzsteigerung von 1% bedeutet 10% mehr Gewinn für den WEA-Betreiber

Laut dem Geschäftsführer des Center for Wind Power Drives (CWD) Prof. Dr. Ralf Schelenz bringe eine Optimierung des Wirkungsgerades um 1% eine Gewinnsteigerung von 10% für den Betreiber. Der große WEA-Prüfstand in Aachen wird von einem 4-MW-Elektromotor angetrieben.

Am CWD arbeiten zahlreiche Disziplinen zusammen. Das so genannte I³-Institute (Integrated Interdisciplinary Institute) behandelt die Thematik umfassend. Experten für Aerodynamik (Rotorblätter), für Mechanik (Antriebskomponenten, Rotorwelle, Getriebe), für elektrische und elektronische Komponenten (Generator oder die 3 verbauten Frequenzumrichter, die das Betreiben des Prüfstandes mit 50 Hz – wie z.B. in Deutschland – oder auch mit 60 Hz – wie etwa in Japan – erlauben), Fachleute für die Steuerung und die Leistungselektronik, dem Verteilernetz bis hin zur Logistik (zu der die Wartung zählt) gehen hier gemeinsam den letzten technischen Geheimnissen von Windenergieanlagen auf den Grund. Zudem sind Experten mit dem Systemverständnis des Gesamtsystems mit von der Partie.

Dem gewaltigen Systemprüfstand vorangegangenen sind jahrelange Forschungen auf all den genannten Fachgebieten. Aus den Forschungen ist ein Sechs-Freiheitsgrade-Modell zur Simulation „echter WEA-Gondeln“ hervorgegangen. Laut Prof. Dr. Schelenz gehe der Trend hin zu immer leistungsstärkeren Anlagen bis hin zu 15 MW! Entsprechende Prüfstände mit mehr als 30 MW Prüfleistung werden aktuell entwickelt.

Um reproduzierbare Messergebnisse zu bekommen, macht der Prüfstand seinen eigenen Wind

Um die realen Tests mit der Wirklichkeit überhaupt vergleichen zu können, sprich, die Simulation mit den Messwerten abzugleichen, werden immer wieder auch empirische Werte hinzugezogen. Diese erhalten die Experten des CWD etwa von den Windkraftanlagenbetreibern, die tausende Daten sammeln, um immer über den aktuellen Zustand ihrer Anlagen im Bilde zu sein. Um bei den Tests in Aachen nicht von den höchst unterschiedlichen Windsituationen abhängig zu sein – die reproduzierbare und validierbare Messergebnisse unmöglich machen – erzeugt der Prüfstand in Aachen „seinen eigenen Wind“, sprich, wird vom eigens vom Institut aufgebauten 4-MW-Direktläufer-Motor angetrieben.

Der Systemprüfstand zur Untersuchung des dynamischen Betriebsverhaltens von WEA-Gondeln habe laut Prof. Dr. Schelenz einem Hersteller bereits eine Effizienzverbesserung der getesteten Anlage von 0,3 Prozent erlaubt, was einer Umsatzsteigerung von gut 3 Prozent entspräche.

Aber auch einzelne Komponenten, wie beispielsweise die Lagerung oder die Sensorik, können mit dem Systemprüfstand getestet werden. Beim Besuch von K&E in Aachen wurde gerade ein Drehmomentsensor unter dynamischen Bedingungen einem mehrstündigen Test unterzogen. „Um ein Gesamtsystem zu testen und eine Systemkennlinie einer WEA zu erstellen ist ein Testlauf von nur 4 Wochen notwendig – das sind Welten für die WEA-Hersteller“, so Prof. Dr. Schelenz.

Explizit wies er auf den Umstand hin, dass das CWD mit seinem Systemprüfstand eine „Hardware-in-the-Loop-Simulation“ realisieren könne. Auch eine Wirkungsgradmessung sei inzwischen auf dem Systemprüfstand realisierbar. Die direkten Verluste könnten dazu in einer speziellen Thermokammer gemessen werden, so der Geschäftsführer des CWD in Aachen stolz.

Höhere Windtürme, größere Rotordurchmesser und Leistungen jenseits von 10MW

Dass auch an Land die WEA leistungsstärker würden stellte Prof. Dr. Schelenz ebenso fest, wie er davon sprach, dass in größeren Höhen eben mehr Wind herrsche, ergo, mehr Strom geerntet werden könne. Das führe inzwischen zu Turmhöhen bis 164 Metern an Land. On-Shore hätten sich die Rotordurchmesser hin zu 140 m entwickelt, Off-Shore sogar bis hin zu 180 m.

„Wir können inzwischen schon zukünftige Modelle simulieren mit 15 Megawatt Leistung und Rotordurchmessern von 220 Metern“, so Prof. Dr. Schelenz, doch: „Die damit verbundenen Turmhöhen werden ein anderes Schwingungsverhalten aufweisen als niedrigere Türme. Das gilt es noch zu validieren und in die Simulation mit einfließen zu lassen.“

Interessant auch die Erkenntnis, dass die Windgeschwindigkeiten viel weniger Einfluss auf die Kräfte haben als der Rotor selbst. An den Blattspitzen des sich mit maximal 14 Umdrehungen pro Minute drehenden Rotors werden nämlich Umfangsgeschwindigkeiten bis zu 70 m/s erreicht – enorme Belastungen für alle mechanischen Komponenten.

Das Wide-Edging-Phänomen: Ist dies das Ende der Wälzlager im Getriebelager?

Gerade erst berichteten wir in K&E vom gewaltigen Prüfstand zur WEA-Wälzlagerprüfung bei SKF in Schweinfurt. Dort können Wälzlager mit bis zu 6 m Durchmesser getestet werden. Bereits Jahre zuvor nahm Wälzlagerhersteller Schaeffler/FAG einen eigenen Prüfstand für etwas kleinere Wälzlagerdurchmesser in Betrieb (wir berichteten). Das Problem, das Wälzlager in der Vergangenheit im Betrieb in Windkraftanlagen hatten, das so genannte Wide-Edging-Phänomen, gilt es u.a. zu untersuchen.

Inzwischen aber gäbe es laut Prof. Dr. Schelenz weltweit bereits rund 250 Turbinen, bei denen die Getriebelager keine Wälz- sondern Gleitlager seien. In diesen Turbinen zeige sich dieses Wide-Edging-Phänomen nicht. Werden die Gleitlager sich in WEAs der Zukunft etablieren? Werden sie die Wälzlager gar ablösen? Prof. Dr. Schelenz zeigte sich vorsichtig mit Prognosen. Ausweichend meinte er, dass es eher ein „Sowohl als auch“ geben werde.

Doch nicht nur in Sachen Lager bleibt das Thema Windenergieanlagen interessant: An vielen Komponenten in einem WEA wird inzwischen ausgiebig gefeilt, um mehr Leistung und eine höhere Verfügbarkeit herauszukitzeln. Da ist nicht mehr alles aus Stahl was glänzt. Sie bleibt jedenfalls sehr spannend: Die Zukunft der Windernte.

von Erik Schäfer

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