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Elektrotechnik/Industrieelektronik

Der schnelle Tod eines Relaismoduls

Der schnelle Tod eines Relaismoduls – mit der richtigen Gerätewahl Ausfälle vermeiden.

Der schnelle Tod eines Relaismoduls – auch wenn sich die Artikelüberschrift wie der Titel eines Krimis liest, geht es hier um rein technische Zusammenhänge und wie man mit der richtigen Geräteauswahl Ausfälle vermeidet. Denn es gibt Parallelen: Für einen der Protagonisten endet das Ganze nicht gut, besser gesagt tödlich. Gemeint sind herkömmliche „Standard“-Relaismodule an Lasten mit kapazitivem Einschaltverhalten. Aufgrund sehr hoher Einschaltstromspitzen können die Kontakte der Relais bereits nach wenigen Schaltspielen verschweißen und somit ausfallen.

Der schnelle Tod eines Relaismoduls – mit der richtigen Gerätewahl Ausfälle vermeiden

Dies ist eine Erfahrung, die fast jeder Relaisanwender schon gemacht haben dürfte. Doch – wie oftmals im „wahren Leben“ – stehen für die genannten Applikationsarten aus Sicht der Relais Alternativen zur Verfügung. Diese sollen nachfolgend näher beleuchtet werden. Der Reihe nach, denn ein gutes Buch zeichnet sich durch eine Vorgeschichte, verschachtelte Handlungsebenen und einen Spannungsbogen aus, der letztendlich mit dem unvermeidlichen Showdown abschließt. Die Vorgeschichte dieses Beitrags beginnt mit der Auswahl eines Relaismoduls zur Montage auf einer DIN-Tragschiene für eine bestimmte Last, beispielsweise für eine Gruppe zu schaltender moderner LED-Lampen. An dieser Stelle könnte als Last ebenso stehen:

  • ein Netzteil respektive eine industrielle Stromversorgung
  • ein Einphasen-Wechselstrommotor mit Anlaufkondensator an Stellklappen, Motorventilen oder als Jalousiemotor
  • die Hocheffizienzpumpe einer Heizungsanlage
  • ein an einer Werkzeugmaschine angebrachter LCD-Touchscreen
  • andere Arten von Lampen respektive Leuchten
  • oder ganz allgemein eine Industrieelektronik mit Speicher
  • Einschalten erfordert ein Netzteil oder Vorschaltgerät

    Sämtliche der genannten Lasten haben eine (negative) Eigenschaft, auf die später eingegangen wird. Denn die Vorgeschichte ist noch nicht zu Ende: Der Techniker, der diese Applikation projektiert, möchte ein Relaismodul verwenden, um die modernen LED-Lampen über eine Steuerung ein- und auszuschalten. In Summe sind fünf LED-Lampen installiert, die die gepflegte Außenanlage vor der Unternehmenszentrale bei Einbruch der Dämmerung illuminieren sollen. Eigentlich kein Problem. Der Techniker schaut zunächst in das Datenblatt der als besonders energiesparend und langlebig bekannten LED-Lampen. Ihr Betrieb erfolgt an Netzspannung 230 V AC, wobei die Nennleistung gemäß Datenblatt 50 W pro Lampe beträgt. Ansonsten werden keine weiteren elektrischen Angaben aufgeführt. Die Gesamtleistung der fünf Lampen beläuft sich folglich auf lediglich 250 W, also knapp über 1 A Dauerstrom, die das auszuwählende Relais zu schalten hat. 

    Das am Markt weit verbreitete und für viele Anwendungen bewährte 6,2 mm schmale Standard-Relaismodul aus der PLC-Serie von Phoenix Contact, das eine Schaltleistung von 230 V AC/6 A aufweist, sollte ausreichen, oder? Doch stimmt die Aussage tatsächlich, dass das Relaismodul nur wenig über 1 A zu schalten hat? Die Antwort lautet zunächst einmal Jein. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich: Was für das Ausschalten der LED-Lampen noch zutrifft, gilt für das Einschalten leider gar nicht. Um die LEDs in der Lampe an 230V-Netzspannung betreiben zu können, bedarf es einer „Anpass-Elektronik“, folglich eines LED-Netzteils oder LED-Vorschaltgeräts. Eine solche Elektronik kann unsichtbar in den Lampen verbaut sein, wie zum Beispiel bei den bekannten haushaltsüblichen LED-Lampen mit E14- oder E27-Fassung. Auf der anderen Seite wird die Elektronik als Gerät angeboten, das mit der eigentlichen Lampe verschaltet wird. Dieses Vorgehen kommt insbesondere bei Lampen/Leuchten mit höherer Leistung zum Tragen, beispielsweise der LED-Beleuchtung für Industriehallen oder Straßen- respektive Eisenbahntunnel. Zahlreiche dieser Vorschaltgeräte sind als eine Art Schaltnetzteil mit Kondensatoren im Eingangsbereich aufgebaut und liefern am Ausgang einen Konstantstrom zum Betrieb der in den Lampen verbauten LEDs.

    Spitzeneinschaltstrom kann rund 100 A betragen

    Personen mit einer guten elektrotechnischen Vorbildung ahnen wahrscheinlich schon, dass die eingangsseitigen Kondensatoren der Grund für alle Probleme beim Einschalten der LED-Lampen sind. Bei diesem Vorgang werden die zunächst ungeladenen Kondensatoren über das Relaismodul direkt an die Netzspannung geschaltet und bilden für einen kurzen Moment eine Art Kurzschluss. Wäre der Einschaltaugenblick exakt identisch zum Spannungsnulldurchgang der Netzwechselspannung, würde nichts passieren. In diesem Moment kann noch kein Strom fließen, der danach lediglich moderat und gebremst mit der Sinuswelle ansteigt. Je näher der (zufällige) Schaltaugenblick allerdings am Spannungsmaximum der 230V-Netzwechselspannung (etwa 325 V) liegt, desto kritischer wird die Situation. Der oder die Kondensatoren in der LED-Vorschaltelektronik laden sich über einen steilen und sehr hohen Strom-Peak auf, denn das 230VAC-Netz verfügt über eine besonders niedrige Impedanz. Dieser Peak kann mehr als das Zehnfache des Nennstroms betragen und manchmal sogar das Hundertfache und mehr des Nennstroms übersteigen. 

    Bei den fünf Lampen geht es somit nicht mehr um etwas über 1 A, sondern unter Umständen um einen rund 100A-Spitzeneinschaltstrom. Dieser fließt in der Regel nur innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne von oftmals deutlich weniger als 1 ms. Doch das reicht aus, damit die Relaiskontakte von Standard-Relaismodulen einfach verschweißen. Im Sprachgebrauch ist dann häufig von Kontaktverkleben die Rede, obwohl nichts verklebt wird. Noch mehr begünstigt wird das Kontaktverschweißen durch das sogenannte Kontaktprellen, das jedes elektromechanische Relais typischerweise stets macht. Darunter ist das mehrfache – eigentlich ungewollte – Öffnen und Schließen des Stromkreises im Moment des hier betrachteten höchsten Strom-Peaks in sehr kurzen Abständen im unteren Millisekunden-Bereich zu verstehen.    

    Relaiskontakte sind verschweißt

    Zurück zum Ausgangsszenario: Inzwischen sind die fünf LED-Lampen und das ursprünglich ausgewählte Relaismodul installiert und der Elektriker führt die ersten Probeschaltungen durch, denn am Abend soll die Geschäftsleitung sehen, wie schön das Gelände vor den Unternehmensgebäuden erleuchtet wird. Die ersten Ein- und Ausschaltvorgänge laufen problemlos ab, aber plötzlich lässt sich das Licht nicht mehr ausschalten. Später wird bei der „Obduktion“ des Relais durch den Hersteller, der im ersten Moment für den Ausfall verantwortlich zu sein scheint, festgestellt, dass die Relaiskontakte verschweißt sind. Das Relais ist also still und heimlich „gestorben“, will heißen elektrisch gesprochen defekt. Exitus, jedoch ohne den erwarteten großen Showdown. Insofern taugt der Vergleich mit den üblichen Kriminalromanen lediglich bedingt.

    Was nun folgt respektive folgen muss, ist die Aufarbeitung des Vorgangs. Ganz so, als ob der Kommissar die Spuren sichert, Indizien sammelt und den Täter am Ende fast immer dingfest macht. Unstrittig ist: Ein Standard-Relaismodul eignet sich offenbar nicht oder nur selten, um Lasten mit stark kapazitivem Einschaltverhalten – wie im beschriebenen Fall der LED-Leuchten – zuverlässig schalten zu können. Als unumstritten erweist sich zudem, dass im Datenblatt der LED-Lampen von den besonders hohen Einschaltspitzen im Millisekunden- oder Submillisekunden-Bereich selten oder nie die Rede ist. Bei oberflächlicher Betrachtung war das gewählte Relaismodul mit seinem 6A-Dauerstrom sogar deutlich überdimensioniert.

    Baureihe ist um Inrush-Typen erweitert worden

    Für die Projekteure und Anwender von Relaismodulen kann das nur bedeuten, sich der Gefahren durch hohe, steile Einschaltstromspitzen bewusst zu werden und vor diesem Hintergrund das für die jeweilige Applikation passende Relaismodul auszusuchen. Am Anfang des Artikels wurde darauf hingewiesen, dass statt der LED-Lampen auch andere Lasten existieren, die die gleichen negativen Eigenschaften haben, nämlich hohe Einschaltstromspitzen. Es muss folglich daran gedacht werden, dass viele Lasten eingangsseitig in ihrer Schaltung Kondensatoren umfassen, welche sich beim Einschalten schlagartig aufladen. Die obige Auflistung solcher Lasten gibt bereits Anhaltspunkte. Oft ist es im industriellen Umfeld eine irgendwie geartete Elektronik, die geschaltet werden muss, deren Innenleben (Kondensatoren) und Einschalteigenschaften allerdings nicht im Detail bekannt sind. Deshalb zeigt sich eine vollständige Anführung derartiger Lasten als unmöglich. Projekteure und Anwender sollten somit im Zweifelsfall den Hersteller bezüglich der Einschaltcharakteristik im unteren Millisekunden- oder Submillisekunden-Bereich befragen und sich bei Bedarf Oszillogramme des Stromverlaufs aushändigen lassen. 

    Das Wissen über die Einschaltcharakteristik ist das eine. Anschließend muss ein geeignetes Relaismodul ausgewählt werden. An dieser Stelle müsste der Artikel eigentlich enden, doch es folgt noch ein Hinweis hinsichtlich passender Geräte. Bisher war stets von herkömmlichen Standard-Relaismodulen die Rede, die das geschilderte Verhalten aufweisen. Deshalb werden ebenfalls spezielle Relaismodule für diese Art kritischer Lasten angeboten. Die Hersteller von Relais und Relaismodulen können an bestimmten technischen Eigenschaften „feilen“, um das gefürchtete Kontaktverschweißen selbst bei hohen oder sehr hohen Einschaltstromspitzen zu verhindern. Typischerweise stellen die Unternehmen solche Relaismodule nur mit einem prellarmen Schließerkontakt sowie mit besonders geeignetem verschweißfesten Kontaktmaterial zur Verfügung. Bei Phoenix Contact sind daher verschiedene Baureihen um sogenannte Inrush-Tpyen erweitert worden, die – je nach Modell – Einschaltspitzenströme bis 130 A respektive 800 A beherrschen. Diese Werte reichen für die meisten der genannten Anwendungen vollkommen aus. Andernfalls müssen Stromkreise, die sich beispielsweise aus vielen leistungsstarken LED-Lampen zusammensetzen, auf mehrere Kreise aufgeteilt werden.

    Foto: Phoenix Contact Grundverhalten von Lasten mit stark kapazitivem Anteil beim Einschalten: Der Einschaltstrom-Peak kann leicht einige 10 A bis über 100 A betragen, obwohl der Nominalstrom der Last im eingeschwungenen Zustand klein ist.
    Foto: Phoenix Contact Auszug aus dem Datenblatt eines handelsüblichen LED-Vorschaltgeräts (Quelle: Meanwell): 58-facher Einschaltstrom-Peak (75 A) bei einer Nennstromaufnahme von nur 1,3 A respektive 230 V AC
    Foto: Phoenix Contact Praktische Beispiele von Relaismodulen für hohe und höchste Einschaltströme - links RIF-Serie, rechts PLC-Serie -, jeweils erhältlich für Einschaltströme bis 130 A peak und bis 800 A peak sowie wahlweise mit Schraub- oder Push-in-Anschlüssen.