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Software

Bewertung von Kegelrädern

Um die Auslegung von Kegelrädern zu bewerten gibt es verschiedenen Methoden. Ob die eine Kombination aus FE und Normrechnung eine geeignet Methode ist?

Autor: Dipl.-Ing. Jürg Langhart, Kisssoft

Der Auslegungsprozess bei Kegelradsätzen ist eine Herausforderung. Es gibt zahlreiche Bewertungsmethoden, die jeweils bestimmte Möglichkeiten und Vorteile bieten. Die Resultate bei Spannungen und Sicherheitsfaktoren können jedoch unterschiedlich ausfallen. Welcher Methode soll ein Konstrukteur vertrauen? Und wie die verschiedenen Werkzeuge miteinander kombinieren, um das zuverlässigste Resultat zu erzielen?

Bewertungsstandards

Wird die Festigkeit von Kegelrädern nach Normen wie AGMA, ISO oder DNV bewertet, stützt sie sich auf formelbasierte Berechnungen. Dabei wird die Kegelradgeometrie in ein Ersatzstirnrad überführt und anschliessend dieselben Berechnungsansätze wie bei Stirnrädern angewendet. Diese werden mittels verschiedener spezifischer Kegelradfaktoren angepasst, um die spezifischen Eigenschaften von Kegelrädern zu berücksichtigen.

Mithilfe von Festigkeitsnormen lassen sich auftretenden Spannungen (Flankenpressung, Fussspannungen etc.) sowie die zulässigen Spannungen ermitteln, die zum Berechnen der Sicherheitsfaktoren und der Lebensdauer genutzt werden. Der Vorteil einer Bewertung mit Normen sind einen vereinfachten Berechnungsansatz und eine schnell ermittelbare Makrogeometrie. Besonders hilfreich ist diese Bewertung in der Auslegungsphase, da sie sich mit einer Variantenrechnung kombinieren lässt.

ISO 10300

Die ISO 10300 umfasst die Bewertung von Zahnbiegung, Grübchen und Fressen bei Kegel- und Hypoidrädern. Die Berechnungen zum Bewerten der Schadensarten „Flankenbruch“ und „Graufleckigkeit“ befinden sich derzeit in einer Entwurfsphase. Mit der ISO 10300 können Konstrukteure zahlreiche Parameter hinsichtlich der aktuellen Konstruktion und Anwendung von Kegelrädern anpassen.

Kontaktanalyse unter Last

Um die Beanspruchungen von Kegel- und Hypoidrädern zu berechnen, eignet sich Finite-Elemente-(FE-)Software im Rahmen einer Kontaktanalyse unter Last (LTCA). In dieser Analyse werden individuelle Flankenmodifikationen wie Balligkeit oder Verschränkung berücksichtigt sowie Verschiebungen zwischen Ritzel und Tellerrad.

Bei der Zahnflankenanalyse unter Last und lastfrei wird die exakte Flankentopologie berücksichtigt, die während des Herstellverfahrens durch die Maschineneinstellungen und Werkzeuggeometrie erzeugt wird. Dadurch lässt sich das Abrollverhalten des später hergestellten Kegelradsatzes simulieren.

Spannungen berechen

Allgemeine FE-Tools bieten in der Regel keine Möglichkeit, die zulässigen Spannungen zu berechnen. Daher können sie nicht genutzt werden, um die Sicherheit und die Lebensdauer zu bewerten. Um dieser Problematik zu begegnen, hat Gleason eine Methode entwickelt, bei der die Fussspannungen und Flankenpressung mit zulässigen Spannungen auf Grundlage von Materialeigenschaften verglichen werden. Auf diese Weise lässt sich die Lebensdauer vergleichbar zu ISO oder AGMA bestimmen. Die Parameter werden im Kreuzungspunkt des Kegelradsatzes definiert.

Verlagerungswerte E, P, G und Alpha

Unter Last verlagern sich Ritzel und Tellerrad infolge der Reaktionskräfte und der Steifigkeiten von Wellen, Lagern und Gehäusestruktur. Die Verlagerungen werden über die vier Parameter E, P, G und Alpha definiert.

Der Kegelradsatz der Hinterachse eines Traktors dient als Beispielkonstruktion. Der Antriebsstrang wird in Kisssys modelliert. Er umfasst den gesamten Antriebsstrang einschliesslich des Handschaltgetriebes, das aus einer Getriebegruppe für die hohen Gänge (H) und einer für die niedrigen Gänge (L) mit jeweils 4 Gängen besteht.

Der Kegelradsatz der Hinterachse wurde mit einem Tellerradaussendurchmesser von 310 mm konstruiert. Die Nennbetriebslasten lauten 1.500 Nm und 165 U/min am Ritzel des Kegelrads.

Die Verlagerungswerte E, P, G und Alpha wurden wie folgt berechnet: E = -0.3 mm, P = 0.14 mm, G = -0.23 mm. Diese Werte wurden in der Zahnkontaktanalyse unter Last zum Entwickeln des Tragbilds verwendet.

Herstellsimulation des Radsatzes

Um die exakte Topologie des Kegelradsatzes zur erhalten, wurden zuerst die Makrogeometrie und die Werte für E, P, G und Alpha über die XML-basierte Schnittstelle von Kisssoft nach GEMS übertragen. Im Anschluss wurde das Tragbild unter Berücksichtigung der Werte für E, P, G und Alpha unter Nennlast entwickelt. Hinsichtlich der Position in Längsrichtung wurde das Tragbild für die größtmögliche Ausbreitung in Flankenrichtung entworfen, um eine möglichst große Lastverteilung und dadurch möglichst geringe Flankenpressung zu erzielen. Für einen optimalen und zentrierten Zahnkontakt in Profilrichtung wurden zusätzliche Rücknahmen in Form von Flankrem am Tellerrad und Toprem am Ritzel eingesetzt.

Die Tragbildlage wurde einerseits unter Last sowie auch lastfrei geprüft, mit den jeweilig auftretenden Verlagerungen. Die optimierte Auslegung der Flankentopologie erwies sich als guter Kompromiss für beide Lastzustände.

Auswertung der Spannungen

1. Berechnung der Spannungen nach ISO 10300

Die effektive Zahnbreite beff beträgt 0.92, ausgehend vom Tragbild in GEMS. Die Höhenballigkeit wurde als niedrig beurteilt – das ist in Fahrzeuganwendungen durchaus üblich. Für die Breitenlastverteilung wird der Lagerungsfaktor KHβ-be  = 1,1 verwendet, was in einer Breitenlastverteilung von K = 1,65 resultiert. Als Fußrundungsradius wurde der Messerkantenradius des Werkzeugs verwendet, da er in GEMS entwickelt wurde.

Für die Flankenpressung wurde σH = 1.244 N/mm2 berechnet, für die Fussspannung σF = 419 N/mm2 (Mittelwert von Ritzel und Tellerrad). Als Werkstoff wurde 18CrNiMo7-6 gewählt; die Stahlqualität war MQ bei einer Kernhärte  ≥ 25 HRC, σFlim = 460 N/mm2 und σHlim = 1.500 N/mm2.

2. Berechnung der Spannungen mit LTCA

Die Spannungswerte aus der Zahnkontaktanalyse unter Last (LTCA) hängen von der tatsächlichen Position des Tragbilds ab, was realistischer ist im Vergleich zu den Berechnungsnormen.

Das Tragbild des Kegelradsatzes wird bei Übersetzungen größer als 2 deutlich vom Einbaumass des Ritzels beeinflusst. Bei einer Simulation von verschiedenen Einbaulagen des Ritzels zeigte es sich, dass die Flankenpressung mit einem kleinerem Einbaumass (H = –0,1 mm) um insgesamt 17 % geringer war. Jedoch wies das Tragbild eine Pressungsüberhöhung an der Fersenkante auf. Das ist inakzeptabel.

Bei der Einbaulage des Ritzels mit H = 0 mm zeigte sich keine Kantenbelastung. Ein ähnliches Resultat zeigte auch die Analyse des Drehwegfehlers unter Last, der bei der Einbaulage mit H = 0 mm am besten ist. Somit wurden die Spannungen bei einer Einbaulage mit H = 0 mm bestimmt.

Vergleich der Spannungen

 Die Zahnfußspannungen stimmten im Vergleich von ISO und LTCA sehr gut überein. Dies ist ein vertrauenswürdiges Resultat – selbst wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass die Fußspannungen nach ISO an der 30°-Tangente berechnet werden, wohingegen die maximalen Spannungen nach LTCA möglicherweise nicht im selben Punkt liegen.

Die Flankenpressung und die zulässigen Spannungen entsprechen einander im Vergleich von ISO und LTCA recht gut. Jedoch weist das Ergebnis nach ISO eine um 13 % geringere Flankenpressung auf als das Ergebnis nach LTCA. Die kommende, leicht überarbeitete Ausgabe der ISO 10300 wird eine etwas höhere Flankenpressung ermitteln und somit sehr nahe am Resultat der LTCA liegen wird.

Auswertung von Sicherheitsfaktoren

Die Sicherheitswerte für Grübchen und Zahnfußbruch sind beide in einem sehr guten Bereich. Die Auslegung ist somit betriebsfest und doch nicht überdimensioniert vorgenommen. Eine detaillierte Nachrechnung mit Lastkollektiven, beispielsweise auch aufgrund von gemessenen Zeitreihen, kann eine noch genauere Analyse des Kegelradsatzes ergeben.  

Welche Methode eignet sich?

Die Bewertung von Kegelrädern lässt sich mithilfe von Normen oder mithilfe der LTCA-Methode vornehmen. Beide Methoden eignen sich für einen bestimmten Schritt in der Auslegungsphase.

Für die Ermittlung der Spannungen mittels der Zahnkontaktanalyse unter Last muss die Bewertung des Tragbilds mitberücksichtigt werden. Diese muss sowohl im lastfreien sowie unter Last geprüft werden. Dabei sind die Verlagerungswerte E, P, G und Alpha notwendig, die in der Antriebsstrangberechnung ermittelt werden. Aus der Herstellsimulation des Radsatzes können wiederum für die Normrechnung die effektive Zahnbreite und der Messerkopfradius in die Berechnung nach ISO 10300 übernommen werden. Somit kann eine höhere Genauigkeit der Normrechnung erzielt werden.

Insgesamt bietet die Kombination aus der Auslegungssoftware für Antriebsstränge und der Herstellsimulation die Möglichkeit, ergänzende Berechnungen zum Bewerten von Kegelrädern durchzuführen. Dadurch steht ein vollständiges und sehr zuverlässiges Verfahren zum Entwickeln von Zahnrädern für Kegel- und Hypoidräder zur Verfügung.

Foto: Kisssoft Definition der Werte für E, P, G und Alpha.
Foto: Kisssoft Flankenpressung unter Nennlast (links) und lastfrei (rechts)
Foto: Kisssoft Vergleich von Resultaten nach ISO und LTCA für Flankenpressung
Foto: Kisssoft Vergleich von Resultaten nach ISO und LTCA für Fußpressung