Foto: Empa

Automatisierung

Wenn ein Roboter mit Bindfaden den Straßenbelag strickt

Empa-Wissenschaftler ist es gelungen, Straßenbelag mit Hilfe eines Roboters und einigen Laufmetern Bindfaden umweltschonender zu verstärken. 

An der Empa, der eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, ist es Wisschenschaftler gelungen, einen Straßenbelag allein mit Bindfaden und einem Roboter derart zu verstärken, dass diese eine Alterantive zu bisherigen Lösungen darstellt. Nach Gebrauch lässt sich der Straßenbelag auf einfache Art rezyklieren. An der Empa werden bereits robotergestützte Bautechniken für den Straßenbau erprobt. Bisher würden diese allerdings lediglich im Hochbau angewandt. Das nun vorgestellte Verfahren ändert dies. Die Wissenschaftler wollen mit einer neuen Art von mechanischer Verstärkung den typischen Aufbau des Straßenbelags verändern. Künftig will man so helfen, wertvolle Ressourcen zu sparen oder Straßenbeläge gar vollständig zu rezyklieren.

Die Idee stammt aus einem Projekt des Gramazio Kohler Research Labs der ETH Zürich. Hier wurde das Projekt tatsächlich als Kunst- und Forschungsprojekt aufgezogen. Rein aus Bindfaden und Schotter aufgetürmte Stelen bewiesen damals, wie enorme Stabilität nur durch die Verzahnung und Verspannung des Schotters mit einem eingewobenen Faden erreicht werden kann – und das ganz ohne Zement. Ein Test im Labor zeigte, dass Schotterstehlen mit einer Höhe von 80 cm und einem Durchmesser von 33 cm einem Druck von 200 kN standhalten, was einer Belastung mit 20 t entspricht.

Foto: Empa Der sogenannte „Rock Print Pavillon“ in Winterthur hat gezeigt, wie eine stabile Konstruktion aus losen Steinen und Bindfaden entstehen kann. Die „Schottersäulen" wurden unter Einsatz eines mobilen Roboters erstellt.

Der Hochbau als Ideengeber

Auch Asphalt besteht aus Gestein verschiedener Größe und dem Bindemittel Bitumen. Und so übertrugen die beiden Empa-Forscher Martin Arraigada und Saeed Abbasion aus der Abteilung „Concrete & Asphalt“ dieses Konzept auf den Straßenbau: „Wir wollen herausfinden, wie man einen recyclingfähigen Belag in Zukunft herstellen könnte. Dabei setzen wir auch erstmalig digitalisierte Bauweisen im Strassenbau ein“, erklärt Arraigada.

Ein Schnur-verstärkter Straßenbelag, der ohne Bitumen auskommt, verspricht einige Vorteile. Denn Bitumen wird aus Erdöl gewonnen, wobei bei der Herstellung und auch später beim Gebrauch Luftschadstoffe freigesetzt werden. Außerdem macht es Asphalt anfällig für Risse und Verformungen und noch dazu undurchlässig für Regenwasser – auch das könnte so überwunden werden. Denkbar wäre für die Forscher auch, dass Gestein zum Einsatz kommen, das sonst für den Straßenbau nicht geeignet ist, dafür aber weniger rar sind. Nicht zuletzt macht das Verfahren einen ausrollbaren und recyclingfähigen Belag denkbar.

Das Geheimnis: Bindfaden, Schotter und ein Roboterarm

Lösungen für die genannten Aspekte überprüfen die beiden Empa-Forscher anhand verschiedener Tests. Als entscheidendes Hilfsmittel dient dabei ein Roboterarm. Er legt den Bindfaden in einem bestimmten einprogrammierten Muster auf die übereinander geschichteten Schotterlagen. Für die mechanischen Tests werden fünf dieser Schichten aus Schotter und Fadengewebe in einer Versuchsbox übereinandergelegt, wobei der Boden der Box mit einer Gummimatte ausgelegt ist, die das ganze Paket auf dem Untergrund fixiert. Sie simuliert das verformbare Bett, auf das der Straßenbelag aufgebracht wird.

Dass es sich bei dem Bindfaden um genau denjenigen handelt, den jeder Schweizer fürs Papierbündeln verwendet, zeigt, dass die Empa-Forscher hier völlig neue und zugleich auch kostengünstigere Wege beschreiten.

Es geht auch ohne Bitumen im Straßenbelag

Das Schotter-Bindfaden-Paket wird dann mit einer rotierenden Platte und mit Druck belastet. Dieser Belastungstest zeigt: Durch die Verstrickung der einzelnen Steine mit dem Faden hält das Paket einem Druck von 5 kN stand – also eine halbe Tonne –, ohne dass sich die Steine stark verschieben. Normalerweise übernimmt der Bitumen diese Aufgabe im Asphalt.

Parallel zu ihren Laborversuchen modellieren die Forscher alles im Computer in 3D mittels „Discrete Element Method“ (DEM). Hier soll sich die Verschiebung der einzelnen Steine zeigen und welche Zugkräfte auf den Faden einwirken – etwas, das im Labor nicht untersucht werden kann. Daneben werden auch verschiedene Muster und Maschenweiten sowie deren Auswirkungen auf die Stabilität des Belags näher untersucht.

Ein anwendungsreifes Produkt, das im Straßenbau eingesetzt werden könnte, gibt es zwar noch nicht. Doch die Grundlagenarbeit liefert viel Innovationspotenzial, um mit einfachen Mitteln einem rezyklier- und vielleicht ausrollbaren Straßenbelag näher zu kommen. 

Foto: Empa In mehreren Testreihen untersuchen die Empa-Forscher diverse Muster.