Autor: Andreas Wollny, Baier & Michels
Schrauben sind im Automobilbau die gängigsten Verbindungselemente. Allein 250 sicherheitsrelevante Verschraubungen benötigt ein modernes Mittelklassefahrzeug. Zahlreiche weitere Schraubverbindungen für die Montage anderer Komponenten kommen dazu. An der Rolle der Schraube haben auch alternative Fügeverfahren wie das Kleben nichts verändert. Denn Schrauben punkten mit einem wesentlichen Alleinstellungsmerkmal: Sie ermöglichen prozesssichere und zerstörungsfrei lösbare Verbindungen.
Dieses Konzept lässt die Schraube mit Blick auf Aspekte wie CO2-Emissionen und den Energiebedarf von der Fertigung bis zum Recycling – das Stichwort lautet Produktlebenszeit – sogar weiter an Bedeutung gewinnen. Denn wer sie intelligent einsetzt, kann in zahlreichen Baugruppen das Zusammenspiel aus Qualität, Kosteneffizienz und Ökobilanz spürbar zu verbessern.
Eine besondere Rolle nehmen Direktverschraubungssysteme ein. Gewindefurchende Schrauben formen beim Eindrehen in vorgefertigte Löcher ihr Mutterngewinde selbst. Mit diesem Prinzip lassen sich nicht nur erhebliche Montage- und Fertigungskosten einsparen, sondern auch Verbindungen mit höherer Festigkeit und Belastbarkeit erzeugen.
Bessere Kraftübertragung
Während marktübliche Direktverschraubungssysteme vorwiegend auf eine trilobulare Gewindegeometrie zurückgreifen, hat der Schraubenhersteller Baier & Michels (B&M) in Zusammenarbeit mit Mercedes-Benz einen neuen Weg beschritten. Dazu Olaf Ambros, Leiter Entwicklung und Produktion bei B&M: „Bei den marktüblichen trilobularen Systemen weist der Querschnitt des Schraubengewindes das Profil eines stark verrundeten Dreiecks auf, was beim Einbringen des Gewindes für vergleichsweise niedrige Einformmomente sorgt.“
Im Gegensatz dazu zeichnet sich die von B&M zum Patent angemeldete Lösung durch einen kreisrunden Gewindequerschnitt aus. Er ermöglicht durch seine am gesamten Umfang tragende Flankenüberdeckung eine besonders große Kraftübertragung. Dabei verfügt die „Highload“ genannte Schraube über eine speziell designte Formzonengeometrie. Sie begünstigt den Werkstofffluss beim Generieren des Mutterngewindes und sorgt so für niedrige Einformmomente.
Für zähweiche Aluminiumknetlegierung
Laut Olaf Ambros überzeugt das kreisrunde System zudem auf dem Gebiet der Prozesssicherheit. „Im Fokus stehen Verschraubungen, bei denen der Mutternwerkstoff eine zähweiche Aluminiumknetlegierung ist. Vor allem bei großen Einschraubtiefen neigen konventionelle Direktverschraubungssysteme schon beim Einformen des Gewindes zum sogenannten Fressen.“ Anders verhalte es sich bei der Highload, so Ambros weiter. „Durch ihre eigens für diese Herausforderung gestaltete Formzonengeometrie verhindert sie zuverlässig Kaltverschweißungen zwischen dem Mutternwerkstoff und der Schraube – und so sind aufwendige Nacharbeiten nicht notwendig.“
Ausgestattet mit diesen Features, kommt die Schraube in Durchmessern von M8 bis M14 und einer Länge von 16 bis 140 mm vor allem für sicherheitsrelevante Bauteilverbindungen in Aluminium oder Stahl zum Einsatz. Zum Beispiel in Sitzanbindungen: Immer wieder sind herkömmliche Direktverschraubungssysteme dort nicht in der Lage, den Crashtest-Vorgaben standzuhalten. Die Highload dagegen schon. Durch ihren kreisrunden Gewindequerschnitt und vollständig ausgeprägte Gewindeflanken sorgt sie für eine maximale Flankenüberdeckung – und für hohe Auszugskräfte.
Fehler in der Montage vermeiden
Auch an der Produktionslinie sorgt die Highload nach Angaben von Ambros für positive Effekte: „Beispielsweise bei der Fertigung mehrerer Baureihen der Marke Mercedes-Benz, dazu zählen die Modelle der C-, E-, G- und S-Klasse – inklusive der neuen Elektrofahrzeuge.“ Da die Werker Verbindungen wie das Befestigen eines Autositzes häufig mit handgeführten Geräten durchführen und dabei auf der Schwellerseite in Stahl und auf der Tunnelseite in Aluminium verschrauben, ist bei der Verwendung von nur einem Schrauber ein identischer Parametersatz für beide Bereiche enorm hilfreich. „Die B&M-Highload ist als Lösung für Aluminium-Stahl-Hybridanwendungen im Serieneinsatz optimal“, sagt Ambros. Mit diesem System könne man ein potenzielles Verwechslungs- und Fehlerrisiko im Montageprozess ausschließen, so Ambros weiter. „Dabei werden auch die Teilevielfalt, beispielsweise für zwei unterschiedliche Schrauben, und die Anzahl der Abläufe im Sinne der Kosteneffizienz reduziert.“
Weitere Einsatzfelder für die Highload sind vor allem der Integralträger und die Hinterachse sowie die Karosserie und die Batterieanbindung.