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Foto: The Makers Group

Hard- und Software

So helfen tragbare 3D-Scanner im Kampf gegen Covid-19

Mit tragbaren 3D-Scannern von Artec werden hochpräzise 3D-Modelle erzeugt, die als Grundlage für Covid-19-Schutzmasken und medizinische Hilfsmittel dienen.

Während der Covid-19-Pandemie haben 3D-Druck-Profis auf der ganzen Welt ihre Unterstützung angeboten, und auch die folgenden Praxisbeispiele zeigen, wie kreative Köpfe mithilfe der tragbaren Artec-3D-Scanner zu beeindruckenden Lösungen kommen können. In einer Hauptrolle mit dabei: Die Firma "The Makers Group" aus Russland. Sie entwarf und produzierte überall im Land, wo die Zahl der Neuinfektionen Mitte Mai weltweit auf dem zweithöchsten Stand war, hilfreiche Produkte für Corona-Kranke und medizinisches Personal. Zwei dieser praktischen Entwicklungen stellen wir im Folgenden vor.

Die Idee mit den Schnorchelmasken

Als sich die Pandemie bereits über Monate hinzog, war in vielen russischen Krankenhäusern und Kliniken der Vorrat an Masken und Gesichtsvisieren so gut wie erschöpft. Zudem haben viele medizinische Standardmasken ihre Nachteile: unter anderem können sie gelegentlich versagen und kontaminierte Luft eindringen lassen. Deshalb begannen Ärzte in Russland, statt Standardmasken und Gesichtsvisieren eine im Handel erhältliche Schnorchelmaske zu tragen. 10.000 solcher Masken spendete die Sportartikelkette Decathlon großzügiger Weise an russische Ärzte und Pfleger.

Eine der von Sportartikelhersteller Decathlon gespendeten Tauchermasken wird ausgepackt.

Die Maske verfügt über eine Dichtung, die am Gesicht fest abschließt und den Träger vor jedem direkten Kontakt mit Viruspartikeln schützt. Das Problem dieser Lösung „von der Stange“ ist allerdings das Anschlussstück für den Schnorchel, das sich oben an der Maske befindet: Hier fehlt der Filter. Das heißt, die Luft, die auf diesem Weg in die Maske eintritt, kann sehr wohl mit Viren belastet sein.

Schnelle Adapter für Einfach- und Doppelfilter

Um diese Schwachstelle zu beheben, entwarf The Makers Group einen speziellen, 3D-gedruckten Adapter. Dieser lässt sich auf den Anschluss aufstecken und mit einem professionellen Luftfilter verbinden. Als man dann feststellte, dass korpulentere Ärzte Schwierigkeiten hatten, durch nur einen Luftfilter zu atmen, entwarf The Makers Group einen Doppeladapter. Dieser ermöglichte den Anschluss von zwei Filtern. Durch die vollständige Filterung der in die Maske einströmenden Luft war der Träger nun vor Viren geschützt. Die Einfach- und Doppelfilteradapter wurden bereits zu Tausenden in 3D gedruckt und sind im ganzen Land heiß begehrt.

Frisch aus dem Ofen: ein Satz 3D-gedruckter Doppelfilteradapter, die an die Masken montiert werden können.

Der richtige 3D-Scanner für komplexe Geometrien

Ein Problem gab es allerdings noch mit der Maske: Sie war ursprünglich für den Einsatz im Wasser konzipiert und besaß daher ein Ablaufventil. Durch dieses Ventil konnte Wasser, das beim Tauchen eingedrungen war, abfließen.

Doch in Krankenhäusern, vor allem in Häusern mit hoher Virenbelastung, konnte dieses Ventil theoretisch auch virenverseuchte Luft in die Maske schleusen. Deshalb setzten sich die Mitglieder der Gruppe zusammen und zogen verschiedene Lösungen in Erwägung. Schnell war klar, dass aufgrund der Komplexität der Maske nur 3D-Scans als Ausgangsbasis für eine Lösung in Frage kamen.

Denis Baev scannte die komplette Maske in hoher Auflösung binnen weniger als einer Minute. Hierfür verwendete er Artec Space Spider, einen professionellen handgeführten 3D-Scanner, der für die Erfassung von Objekten mit komplexer Geometrie und vielen Details konzipiert ist. Wegen des durchsichtigen Kunststoffs der Maske trug er vorher das Mattierungsspray Krylon auf. Doch selbst mit dem Spray war die Maskenoberfläche schwer zu scannen. Deshalb erhöhte Denis die Empfindlichkeit des Space Spider und war daraufhin in der Lage, die Maske in kürzester Zeit zu scannen.

Ein CAD-Modell führte zur perfekten Lösung

Anschließend wurden die Scans innerhalb von drei Minuten in Artec Studio 15 verarbeitet und als STL-Datei in Geomagic Design X exportiert. Die automatische „Mesh-zu-CAD“-Funktion von Design X wandelte die STL-Datei rasch in ein funktionsfähiges CAD-Modell um. Mithilfe dieses CAD-Modells konnten weitere Mitglieder von The Makers Group das Problem lösen: Sie stellten ein perfekt passendes Anschlussteil mit Rückschlagventil für die Maske her. Wenn nun innerhalb der Maske ein Überdruck entstand, konnte die Luft durch das Rückschlagventil entweichen. Dieses bildete sofort danach wieder einen luftdichten Abschluss und verhinderte so, dass potenziell virenverseuchte Luft eintrat.

Begehrte Gelkissen für Covid-19-Patienten

Bei ihrer Arbeit mit Covid-19-Patienten stellten die Ärzte schnell fest, dass das Atmen für Patienten mit Lungenentzündung in Bauchlage sehr viel einfacher ist. Darüber hinaus erleichtert die Bauchlage den Ärzten die maschinelle Beatmung der Erkrankten. Allerdings können innerhalb von vier bis fünf Stunden sehr schmerzhafte Druckgeschwüre entstehen, wenn der Patient mit dem Gesicht nach unten auf einem Kissen oder einem Bett liegt.

Erfreulicherweise gibt es spezielle Gelkissen, die das Gesicht eines Patienten in Bauchlage auf für ihn komfortable Weise stützen. Doch diese Kissen sind seit einiger Zeit kaum mehr erhältlich und selbst wenn kleine Menge lieferbar wären – aufgrund des hohen Preises kommen sie für Krankenhäuser, in denen sie so dringend benötigt werden, nicht in Frage.

Mit dem tragbaren Scanner direkt ins Krankenhaus

The Makers Group probierte verschiedene Verfahren zur Herstellung der Gelkissen aus, unter anderem CAD-Design und 3D-Druck. Doch wegen der einzigartigen anatomischen Form der Kissen und des weichen, stützenden Materials konnten keine zufriedenstellenden Ergebnisse erzielt werden. Zum Glück bot ein Krankenhauspatient an, sein Gelkissen auszuleihen. Es musste allerdings im Krankenhaus verbleiben und nach nur zwei bis drei Minuten an den Patienten zurückgegeben werden. Doch diese Zeit reichte aus: Um das Kissen mit seiner halbtransparenten Oberfläche schnell digital erfassen zu können, besprühte Denis das Kissen zunächst mit Cyclododecan-Spray. So erzeugte er eine matte, weiße Oberfläche, die besser zu scannen war. Der Handscanner Artec Eva erfasste das Kissen in wenigen Sekunden und nahm sämtliche Oberflächen und Konturen mit 16 Frames pro Sekunde auf.

Das Gelkissen wird mit dem Handscanner Artec Eva gescannt

In Windeseile zur STL-Datei

Mit der Software Artec Studio wurden die Scans innerhalb von nur zwei Minuten in eine STL-Datei umgewandelt. Für die Verarbeitung kamen folgende Funktionen zum Einsatz: die globale Registrierung, die scharfe Fusionierung, der Filter für kleine Objekte, die Netzvereinfachung und zum Schluss noch das Radierer-Tool. Anschließend ging die STL-Datei an den Arzt, der mit The Makers Group am Design des Kissens arbeitete. Nun wurde die STL-Datei in ein CAD-Modell umgewandelt, mit dem sich eine Gussform zur Herstellung der Kissen fertigen ließ.

CAD-Modell des Gelkissens

Noch mehr Unterstützung führt zum Erfolg

Die endgültige 3D-gedruckte Form bestand aus drei separaten Teilen, und es erforderte noch ziemlich viel Arbeit, um die sehnlichst erhofften Resultate zu erzielen. Das weiche Silikon in medizinischer Qualität, das für die Füllung gebraucht wurde, war fast unmöglich zu beschaffen. Nach langer Suche kam Georgy Serezhkin, Mitarbeiter des Artec Gold Resellers Globatek, The Makers Group zu Hilfe. Er stellte den Kontakt zu einem Betrieb her, der das passende Material produziert: ein Softgel, das formbeständig, für Langzeitpatienten gesundheitlich unbedenklich und gleichzeitig hypoallergen ist.

Nachdem alle Voraussetzungen erfüllt waren, wurden die ersten Testkissen produziert und befinden sich mittlerweile im Einsatz. Geplant ist, die Produktion zu steigern und die Kissen auf breiter Basis zugänglich zu machen, damit so viele Patienten wie möglich von ihnen profitieren können.

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