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Marcus Czaplejewicz, Fertigungsleiter bei Via Traffic Controlling mit dem iFactory One Fließband-3D-Drucker.
Foto: iFactory3D
Marcus Czaplejewicz, Fertigungsleiter bei Via Traffic Controlling mit dem iFactory One Fließband-3D-Drucker.

Inhaltsverzeichnis

Kunststoff-3D-Druck

70 % weniger Produktionskosten durch AM

Die Idee: Die Prototypenentwicklung zeitnah und flexibel umsetzen und die Bauteile in hoher Auflage kostengünstig produzieren. Dabei soll ein Fließband-3D-Drucker helfen.

Es ist doch bestimmt günstiger, sechs gleiche Bauteile eines Standardprodukts selbst zu produzieren, als sie zuzukaufen. Das war die Überlegung des Verkehrstechnik-Unternehmens Via Traffic Controlling. Bei den Bauteilen handelt es sich um Schlossvorrichtungen, die in Geschwindigkeitsanzeigen verbaut werden, um die Frontscheibe am Gehäuse zu montieren. Bei sechs Vorrichtungen pro Gerät machen sich selbst geringfügige Einsparungen bemerkbar. Die eigene Produktion sollte aber keine zusätzlichen Personalkosten verursachen. Das hätte die Ersparnis schnell aufgehoben.

3D-Drucker hatten sie schon, doch der Aufwand zu groß. Denn nach jedem Baujob muss das Druckbett gesäubert und der Druck neu gestartet werden. Das kostet Zeit und Arbeitskraft. Ist AM (additive manufacturing, Additive Fertigung) also nicht die Lösung? Noch hatte Via Traffic Controlling nicht aufgegeben. Sie stießen auf einen Produkttest, in dem ein Fließband-3D-Drucker im Desktopformat vorgestellt wurde. Die Eigenschaften des Druckers passten zum Anforderungsprofil des Verkehrstechnikproduzenten, und die örtliche Nähe des Anbieters sowie der günstige Preis überzeugten das Unternehmen. Also wagten sie den Versuch.

 Der 3D-Drucker „iFactory One“

Seit April 2021 arbeitet Via Traffic nun mit dem One von iFactory3D. Sein Bauvolumen beträgt „unendlich“ × 290 mm × 180 mm. Das austauschbare Hotend ist um 45° abgewinkelt, um bei Überhängen weitestgehend auf Stützstrukturen verzichten zu können. So lassen sich auch hohle Strukturen additiv fertigen, was neue Möglichkeiten in der Nachverarbeitung bietet oder besonders leichte Bauteile ermöglicht. Es wird an Material gespart, aber auch an effektiver Druckzeit und manueller Nachbearbeitung, da kein Support aufwendig vom eigentlichen Druckteil entfernt werden muss. Die Maschine hat einen Rahmen von 710 mm × 640 mm × 500 mm, damit passt sie bequem auf eine Werkbank oder einen Schreibtisch. Mit einer maximalen Düsentemperatur von 260 °C kann das System mit verschiedenen thermoplastischen Filamenten drucken, z.B. PETG, PLA, PC oder ABS.

Der iFactory One lässt sich über eine SD-Karte, WiFi und USB erreichen und über einen 3,5’’-Touchscreen auf der Vorderseite direkt steuern. Eine an den Fließband-Druck angepasste Version des Slicers von Cura kann genutzt werden. Ein Slicing-Profil für das aktuelle Modell One Pro ist auch beim kostenlosen Idea-Maker-Slicer hinterlegt. Derzeit entwickelt iFactory3D zusammen mit einem europäischen Softwareunternehmen einen eigens für belt printing (Fließband-Druck) konzipierten Slicer, der noch dieses Jahr veröffentlicht werden soll.

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Am Fließband 3D-Drucken

Der 3D-Drucker arbeitet bei Via Traffic Controlling Tag und Nacht und wurde auch genau aus diesem Grund angeschafft. Einmal eingeschaltet, läuft der Drucker tagelang durch – ohne Aufsicht. So kann das Unternehmen flexibel auf eine höhere Nachfrage reagieren und erhält die benötigten Artikel innerhalb kürzester Zeit, ohne vorproduzieren zu müssen. Eine Produktionsserie kann gestartet werden – mit der Warteschlangen-Funktion auch mit unterschiedlichen Objekten – und läuft dann über Nacht oder auch über mehrere Nächte und sogar eine ganze Woche am Stück. Der zuständige Angestellte kontrolliert von zu Hause mithilfe einer Webcam, ob alles in Ordnung ist. Bei Problemen greift er über die Fernsteuerung ein und pausiert den Druck, startet ihn neu oder schaltet den Drucker in Notfällen aus. Solche Notfälle sind allerdings bislang noch nicht vorgekommen.

Neben der Herstellung spezifischer kleinerer Bauteile erweist sich der iFactory One für Via Traffic Controlling auch in anderen Bereichen als nützlich. Da die z-Achse unbegrenzt ist, wird der Drucker auch in der weiteren Produktentwicklung eingesetzt. Besonders bei langen Objekten wie Kabelkanälen wird so das Prototyping erleichtert. Ein weiterer Vorteil: der Drucker kann mit besonders großen Filamentrollen extern bestückt werden und unterbricht den Druck automatisch, wenn das Filament leerläuft. Nach dem Wiederbefüllen setzt der Drucker nahtlos an, sodass kein Material verloren geht.

Equipment und Verschleißteile

Für das neue Modell, den One Pro, gibt es einen integrierten Spulenhalter im Bauraum, der Spulen bis zu 1 kg trägt. In dieser Variante ist der Drucker besonders platzsparend. Jedoch lässt sich der Spulenhalter einfach umfunktionieren bzw. nach außen schwenken, sodass auch Filamentrollen von 2,2 kg Gewicht aufgeladen werden können. Natürlich laufen beide Druckermodelle auch mit externen Spulenkonstruktionen, die besonders große Filamentrollen unterstützen. Eine eigene, auf den Drucker speziell angepasste Lösung von iFactory3D ist als nächstes Add-On geplant.

Die Via Traffic Controlling musste jedoch ihren Drucker noch nicht nachrüsten: Bei dem im April 2021 angeschafften One läuft noch der gleiche Belt, obwohl dieser – je nach Auslastung und Pflege – ein häufiger Verschleißartikel mit durchschnittlich 6 bis 12 Monaten Haltbarkeit ist. Die Via Traffic Controlling hat offenbar die perfekten Einstellungen für ihr spezifisches Druckteil gefunden und zeigt so, dass der Drucker sogar noch leistungsfähiger sein kann als vom Hersteller angegeben. Die Messdaten von iFactory 3D zur Haltbarkeit des Fließbandes beruhen auf hausinternen Tests, bei denen besonders anspruchsvolle Objekte mit wechselnden Material- und Druckprofilen umgesetzt wurden.

Amortisiert in 8 Wochen

Der Verkehrstechnikhersteller ist besonders beeindruckt von der Leistung, der Wartungsfreiheit und der einfachen Bedienung des Fließband-3D-Druckers. In der Fertigung kann jeder den Drucker einschalten, zwei Knöpfe drücken – und schon beginnt der Druck. Die Wartung ist ebenfalls minimal: Nach jedem Druck wird die Düse einmal mit einer Messingbürste saubergemacht und gelegentlich eine Rolle gefettet. Der Drucker ist zu 95 % wartungsfrei.

Der 3D-Fließbanddrucker trägt zur Gewinnoptimierung bei, so wie es mit seiner Anschaffung geplant war. Trotzdem ist die Produktionsleitung beim Anblick der Zahlen positiv überrascht: Im Gegensatz zum vorherigen Vorgehen spart Via Traffic Controlling etwa 70 % der Kosten. Kostete die Anschaffung eines Teils vorher 15 bis 17 Euro, so konnten mit dem iFactory3D-Drucker die Kosten pro Teil mit Zubehör auf etwa 3 Euro reduziert werden. Seit April 2021 hat die Firma durch den Drucker also rund 32.000 Euro gespart. Die Anschaffungskosten hatten sich bei Via Traffic Controlling bereits nach knapp 8 Wochen amortisiert.

Für Via Traffic Controlling ist die Fließbandtechnik ganz klar die Zukunft. Fertigungsleiter Marcus Czaplejewicz stellt fest: „Mit einem Fließbanddrucker ist man erstmal nicht mehr auf bestimmte Maße im Bauraum festgelegt. Gerade bei uns im Haus haben wir in der Vergangenheit auch viele Sachen an Zulieferer gegeben, die uns dann irgendwelche Prototypen gedruckt haben. So ein Prototyp funktioniert oft nicht auf Anhieb und die Anpassung kostet dann viel Zeit. Jetzt können wir große Teile einfach hier im Haus anfertigen, anpassen und solange daran herumbasteln, bis der Prototyp serientauglich ist. Man ist nicht mehr eingeschränkt und kann viele kleine Dinge einfach drucken, ohne Beaufsichtigung.“  Das Team kann sich den Ausbau zu einer 3D-Drucker-Straße gut vorstellen.

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