Seit 2015 beschäftigen sich Mitarbeitende der BMW Group am „Additive Manufacturing Campus“ in Oberschleißheim mit dem WAAM-Verfahren, seit 2021 werden damit auch Testbauteile gedruckt. Zum Beispiel eine Federbeinstütze, die in ausgiebigen Testläufen auf dem Prüfstand mit dem Serienbauteil aus Aluminium-Druckguss verglichen wird. Unter anderem nutzen sie eine WAAM-Zelle des niederländischen 3D-Drucker-Herstellers MX3D.
„Bereits in dieser frühen Phase der Technologiebefähigung steht fest, dass das WAAM-Verfahren zu geringeren Emissionen im Produktionsprozess führen kann. Die Bauteile können durch ihr geringeres Gewicht, ihre günstige Materialeinsatzquote und die Möglichkeit, Grünstrom zu verwenden, effizienter produziert werden“, berichtet Jens Ertel, Leiter BMW Additive Manufacturing. Der nächste Entwicklungsschritt auf dem Weg zur Serienreife sind Tests im Fahrzeug. Diese sollen in absehbarer Zeit beginnen.
Vorteile, die BMW bei WAAM sieht
- Leichtbau: Im 3D-Druck allgemein sind hohle Strukturen mit einem optimalen Verhältnis zwischen Steifigkeit und Gewicht möglich. Dadurch können die Komponenten leichter und steifer ausfallen als vergleichbare Teile, die aktuell in der Serie beispielsweise im Druckgussverfahren gefertigt werden.
- Nachhaltigkeit: Zudem lassen sie sich durch einen geringeren Energiebedarf sowie weniger Materialabfall nachhaltiger produzieren.
- Geschwindigkeit: Durch die große Breite und Höhe einer einzelnen Schweißnaht können Bauteile durch WAAM besonders schnell hergestellt werden.
- Bauteil-Dimension: Im Unterschied zu dem in der BMW Group bereits in der Prototypen- und Kleinserienfertigung verwendeten Laserstrahlschmelzen eignet sich WAAM besonders für größere Komponenten.
- Anwendungsbereich: Die typischen Wandstärken passen gut zu Komponenten in den Bereichen Karosserie, Antrieb und Fahrwerk. Aber auch Werkzeuge und Vorrichtungen lassen sich in diesem Verfahren.
Konstruktion mit generative Design und Algorithmen
Um ein AM-Bauteil zu designen, nutzt die BMW Group generative Design. Hierbei gestaltet der Computer mit Algorithmen basierend auf den benötigten Anforderungen optimierte Bauteile. Diese Algorithmen werden in enger Zusammenarbeit interdisziplinärer Teams entwickelt und sind unter anderem von Prozessen der Natur inspiriert: Wie bei bionischen Strukturen wird in einem ersten Schritt für die Topologie des Bauteils nur das Material verwendet, das wirklich benötigt wird.
Bei der Feinoptimierung im zweiten Schritt wird das Bauteil nur an solchen Stellen verstärkt, wo es notwendig ist. Das führt am Ende zu leichteren und steiferen Komponenten sowie einer höheren Effizienz und einer gesteigerten Fahrdynamik des Fahrzeugs. „Der Einsatz von generative-Design-Methoden ermöglicht uns, die Gestaltungsfreiheit und damit auch das Potenzial des Verfahrens vollständig zu nutzen. Das war vor wenigen Jahren noch undenkbar“, so Karol Virsik, Leiter BMW Group Forschung Fahrzeug. Er ist überzeugt, dass WAAM sich „zu einem flexiblen Werkzeug nicht nur für Versuchs-, sondern auch für Serienbauteile entwickelt hat.“
Die Schweißnähte im WAAM-Verfahren sorgen zwar dafür, dass die Oberflächen der Bauteile nicht glatt sind, aber das zeigt keine Auswirkungen auf die mechanische Performance der Bauteile. Für manche Bereiche müssen sie allerdings nachbearbeitet werden.
Um die Haltbarkeit direkt aus der Fertigung heraus zu gewährleisten, sind optimierte Prozessparameter entscheidend: Die Kombination aus Schweißprozess und Roboterbahnplanung muss optimal aufeinander abgestimmt werden.
AM-Verfahren können sich ergänzen
Perspektivisch sieht die BMW Group WAAM-Bauteile sogar in Serienfahrzeugen. Dabei stehen verschiedene additive Fertigungsverfahren nicht zwangsläufig miteinander im Wettbewerb, sondern sind als Ergänzung zueinander zu sehen. Für höchste Detailauflösung wird etwa das Laserstrahlschmelzen auch künftig Vorzüge gegenüber dem WAAM-Verfahren bieten. In Bezug auf die mögliche Größe des Bauteils und die Auftragsrate ist dagegen das Wire Arc Additive Manufacturing überlegen.
Zunächst plant die BMW Group mit einer zentralen WAAM-Fertigung von Bauteilen in Oberschleißheim, perspektivisch ist aber auch eine Produktion an anderen Standorten bei Zulieferern möglich. Denkbar findet BMW auch, künftig einzelne Bauteile mit diesem Verfahren direkt am Montageband zu produzieren und ohne neue Werkzeuge, allein durch Änderungen der Software, verschiedene Teile zu fertigen. Zudem lässt sich auch die Nachhaltigkeit durch vermehrten Einsatz von recycelten Metallen noch weiter steigern. (sk)